246
Illustrierte Geschichte des Weltirieges 1914/18.
Lieferung von rund 60 Millionen Pud Getreide verpflich
tete. Auch Hülsenfrüchte und Olsaaten sollten in größeren
Mengen den Mittelmächten zur Verfügung gestellt werden.
Zur Durchführung des Vertrages wurde in Kiew eine
kaufmännische Wirtschaftstelle der Mittelmächte gegründet,
die die für die Monate April, Mai, Juni und Juli genauer
festgesetzten Nahrungsmittelmengen von ukrainischen Ver
tretungen zu übernehmen hatte.
Zur Aufnahme des Handelsverkehrs traf nach vor
heriger mühevoller Tätigkeit deutscher Minenräumverbände
am 26. März der deutsche Dampfer „Patmos" vom der
Levantelinie mit einem anderen deutschen Dampfer in
Odessa ein. Der Schiffsverkehr mit den bedeutendsten
Ausfuhrhäfen der Ukraine war damit eröffnet. —
Wichtige politische Auseinandersetzungen standen der
Ukraine hinsichtlich der Grenze mit Polen bevor. Den
Polen waren Zugeständnisse gemacht worden, als sie wegen
der Erenzführung im Raume von Cholm Schwierigkeiten
nannte, betreffen, nur mit der ukrainischen Regierung ver
handelt werden könnte, weil sowohl im Norden wie im
Süden der Republik Ukrainer wohnten. —
In Finnland (siehe die Karte Seite 248) trat immer
noch keine Ruhe ein. Kämpfend drang die Weiße Garde
unter Mannerheim gegen Ende März im Raume von Tam-
merfors beträchtlich weiter vor, und am 3. April wurde an
der Sadacundafront mit Unterstützung der Deutschen ein
großzügiger Angriff auf Tammerfors unternommen. Rach
mehrstündiger, schwerer Artillerievorberestung rückten die fin
nischen Sturmkolonnen von Süden, Osten und Südosten in
die Stadt ein. Die Rote Garde verteidigte sich erbittert,
aber dennoch säuberte die Weiße Garde den Osten von Tam-
mersors noch in der Nacht bis zu dem die Stadt durchströ
menden Flusse. Schon am nächsten Tage gehörte die Stadt
ganz der Weißen Garde, der sich ihre Gegner ergaben.
Am 3. April landeten die Deutschen unter Führung des
Konteradmirals Meurer an der Südwestküste Finnlands
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Aus der Hochburg des deutschen Kriegsmaterials: Lager von Rohgeschoffen bei Krupp in Essen.
machten und durch den Rücktritt ihrer Regierung die polnische
Staatsmaschine lahmgelegt zu werden drohte. Am 26. März
schlug der polnische Regentschaftsrat den ehemaligen Finanz
minister Steczlowski zum Ministerpräsidenten vor, der als
solcher auch bestätigt wurde, womit die polnische Regierungs
krise vorerst ihr Ende fand. —
Die Verhandlungen mit Rumänien waren so weit ge
diehen, daß am 26. März der Friedensvertrag vorläufig
geschlossen, paraphiert werden konnte, das heißt die Be
vollmächtigten der vertragschließenden Staaten setzten die
Anfangsbuchstaben ihres Namens unter den Entwurf eines
Vertrages, auf den sie sich in den Hauptzügen geeinigt
hatten. Unabhängig hiervon nahm am 9. April der Landes
rat von Beßarabien die Vereinigung Beßarabiens mit
Rumänien mit sechsundachtzig gegen drei Stimmen feier
lichst an.
Mit dieser Lösung der beßarabischen Frage war aber
die Regierung der Ukraine nicht einverstanden. Schon
zwei Tage später erklärte sie Der rumänischen Regierung,
daß über Fragen so einschneidender Art, die die Moldauische
Republik (siehe die Karte Seite 150), wie sich Beßarabien
trotz Minengefahr und Behinderung durch schwere See,
Eis und Nebel. Ihr nächstes Ziel war die Stadt Hangö,
die mit der vorgelagerten Insel Russarö im Besitz der
Roten Garde war. Diese wagte keinen Widerstand; zwei
im Hafen liegende lst-Boote wurden von ihr zerstört. Die
Besatzung von Russarö ergab sich bedingungslos den An
greifern, die dort sechs amerikanische 23,4-om-Langrohr-
geschütze erbeuteten. Sperrbrecher bahnten deutschen Tor
pedobooten mit den ersten Stoßtruppen den Weg nach der
Stadt Hangö. Gegen unbedeutenden Widerstand bracbten
die Deutschen etwa eine Division an Land (siehe Bild
Seite 249) und nahmen den Vormarsch in der Richtung
nach Helsingfors auf.
Eine neue Gefahr für die Rote Garde bildete die Landung
deutscher Streitkräfte in Lovisa am 10. April.
Die Russen hatten am 5. April die Auffcrderung erhalten,
ihre zahlreichen Kriegschiffe, die in finnischen Häfen lagen
und mit der Rotcn Garde in Fühlung standen, zu ent
waffnen (siehe Bild Seite 248 unten). Infolgedessen ver
ließen die russischen Kriccschiffe am 9. April Helsingfors;
30 Torpedoboote, 40 Unterseeboote und 50 Transport-