Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Achter Band. (Achter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Phot. Leipziger Presse-Türo. 
ohne Umschweife, „wir haben Ihre Nöntgenbilder noch 
einmal durchgesehen und die genaue Lage des Geschosses 
berechnet. Es ist eine mittelgroße Schrapnellkugel, wie 
Sie wohl wissen, die sich durch den Anprall ein wenig ab 
geplattet hat. Sie liegt unmittelbar neben, aber nicht an 
der Stelle, wo die beiden Sehnerven nach dem Austritt aus 
dem Gehirn sich kreuzen. Es ist daher wahrscheinlich, daß 
der Sehnerv nicht durchschlagen, sondern nur drirch Druck, 
vielleicht auch durch einen 
Bluterguß gelähmt ist. Die 
Möglichkeit ist also vor 
handen, daß nach Ent 
fernung des Geschosses 
die Sehkraft wenigstens zu 
einem Teile wieder zurück 
kehrt. Die Operation ist 
nicht leicht, der Erfolg un 
gewiß. Besprechen Sie es 
mit Ihrer Fräulein Braut— 
ich habe viel Freundliches 
über sie von den Herren 
Kollegen gehört — und sa 
gen Sie mir morgen Be 
scheid. Wir können dann 
den Eingriff in der nächsten 
Zeit vornehmen." 
Also warten und Geduld! Aber dann dürfen wir auch 
hoffen, daß Sie beide ein Weihnachten haben wie nur we 
nige Menschen in dieser schweren Zeit." 
Vierzehn Tage, die ihnen namenlos schwer wurden. 
Gräfe wußte es aus den Schlachttagen in Flandern und an 
der Somme, daß nichts so schwer zu ertragen ist wie ein 
Funken Hoffnung, an den 
Tschernow, 
Führer der russischen Minimalisteu, 
ein erbitterter Gegner Trotzkis und 
Lenins. 
Vierzehn Tage vor Weih 
nachten war die Operation. 
Maria saß', die Hände um 
das Taschentuch gekrampft, 
im Wartezimmer der Pri 
vatklinik. Von Zeit zu Zeit 
schaute eine junge Schwester zu ihr hinein und sprach ihr 
mit ein paar guten Worten Mut zu. Endlich — es waren 
über zwei Stunden vergangen — trat der Chirurg ein und 
sagte fröhlich: „Die Gefahren der Operation sind glücklich 
überwunden! Leicht hat er es uns nicht gemacht. Ich 
wünsche Ihnen von Herzen Glück, mein gnädiges Fräulein!" 
„Kann er sehen? — Sieht er?" fragte sie atemlos. 
Der Arzt lächelte kaum merklich; dann sagte er mit 
Zwingender Ruhe: „Das werden wir in frühestens vierzehn 
Tagen wissen. Die Sehkraft kann nur ganz allmählich 
wiederkehren. Bis dahin müssen die Augen streng ver 
bunden bleiben." Ernster fuhr er fort: „Wenden Sie 
Ihren ganzen Einfluß auf, daß er nicht vorher den Verband 
entfernt. Es könnte ihm sonst gehen wie dem Kinde, das 
vor der Weihnachtsbescherung durch das Schlüsselloch sah. 
man doch nicht mehr glau 
ben kann. Wäre Maria mit 
ihrer mutigen Liebe nicht 
unermüdlich an seiner Seite 
gewesen, er hätte den Ver 
band abgerissen, um Gewiß 
heit über sein Schicksal zu 
haben. Die unerwartet glück 
liche Heilung der Opera 
tionswunde machte es ihm 
nicht leichter. Wohl nahmen 
die Aussichten aus einen 
glücklichen Erfolg der Ope 
ration dadurch zu, aber 
Schmerzen und Fieber, der 
Kampf um Gesundheit und 
Leben, sie wären wie tätige 
Abwehr eines Angriffes ge 
wesen. So aber blieb ihm 
nichts übrig, als tatenlos 
abzuwarten. Es war ihm 
unbedingt zu glauben, daß 
er die vierzehn Tage der 
letzten Flandernschlacht leich 
ter überwunden hatte als 
dieses Warten ick immer wieder verzweifelnder Hoffnung. — 
Der 24. Dezember! Ein frostklarer Tag. Auf den hohen 
Bergen am Abschluß des Dreisamtales lag blinkender 
Schnee. Maria eilte die wenigen Schritte von der Woh 
nung seiner Mutter zum Lazarett. In einer Stunde wollte 
der Chirurg kommen, in einer Stunde war die Entscheidung 
da. Vergebens suchte sie sich einzureden, was sie ihm schon 
hundertmal gesagt hatte, daß es für ihre Liebe ja keine 
Entscheidung sei. Nichts auf der Welt konnte zwischen sie 
treten. Und doch — s i e konnte ihn sehen; aber er? Er 
würde blind neben ihrer Schönheit einhergehen. Vergebens 
würde sie für ihn blühen und sich mit ihrer Jugend 
schmücken! Er sah es nicht! Cr sah es nicht! Wieder 
dachte sie daran, daß Gott ein Wunder geschehen lassen 
und ihr Opfer für seines annehmen müsse. Sie verwarf 
Wsewolod Holubovicz, 
wurde am 5. Februar 1918 zum Mi-- 
uisterpräsidenten der ueugegründeten 
Republik Ukraine gewählt. 
Gesamtansicht von Kiew, der Hauptstadt der Ukraine.
	        
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