Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
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phalen Zusammenbruch am Jsonzo jegliche Herrschaft ver
loren hatte, war es unmöglich, die großen Arsenale und
Magazine in Udine noch rechtzeitig vor dem Eintreffen des
Feindes zu räumen. Längs den Straßen lagen zahllose,
schwer beladene Wagen» Lastauto, ganze Berge von Waffen
und neuen Ausrüstungstücken. In den Vororten Udines
dasselbe Bild des Zusammenbruches und der Auflösung.
Dichte Rauchwolken lagerten über der Stadt; die ab
ziehenden Italiener hatten noch einige Magazine und
Munitionsniederlagen in Brand gesteckt und in die Luft
gesprengt, um den wertvollen Inhalt nicht in die Hände
des Feindes fallen zu lassen. Aber dieser war dem Gegner
so hart auf den Fersen» daß das Zerstörungswerk nur zum
kleinsten Teil durchgeführt werden konnte. Noch wälzten
sich fliehende Haufen durch die Straßen der von der Zivil
bevölkerung aus unangebrachter Furcht vor den deutschen
„Barbaren" Hals über Kopf geräumten Stadt Udine, als
schon vor den alten Mauern der ehemaligen Befestigungs
werke die ersten Feldgrauen erschienen. Nur wenige Nach
alle deutschen Lande bis zum Rhein wurden erobert, erstere
durch den Frieden von Campo Formio 1797 Frankreich
einverleibt. Napoleon Bonaparte, damals Erster Konsul,
gewann im Frieden von Lunöville 1801 die deutsche Rhein
grenze für Frankreich.
Dann endlich nach langen Jahren des Kriegselends
ein anderes Bild. Napoleon bei Leipzig geschlagen;
Blücher ist in der Neujahrsnacht 1813/14 bei Laub über den
Rhein gegangen, mit dem alten Marschall Vorwärts fliegen die
Herzen der deutschen Vaterlandsfreunde, eines E M. Arndt,
eines Görres und anderer: „Der Rhein wieder deutsch und
soll deutsch bleiben!" Selbstverständlich war es für alle
wahrhaft deutschen Männer, ihnen voran für Blücher,
daß Frankreich nun auch das geraubte Elsaß und Straß
burg wieder herausgeben müsse. Aber die Erbärmlichkeit
der deutschen Vielstaaterei und die undeutsche Politik
Metternichs verdarben alles. Nachdem die Verbündeten
! am 31. März 1814 in Paris eingezogen waren, kam am
! 30. Mai der Friede zu Paris zustande. Der großen Ge-
■■R
Auf eitler italienischen Rückzugstraße bei St. Daniele am Tagliamento.
Nach einer Originalzeichnung des Kriegsmalers Albert Reich, München.
zügler blieben zurück und feuerten, sich hinter den allent
halben am Wegrand liegenden umgestürzten Wagen deckend,
auf den näher und näher kommenden Feind. Die all
gemeine Flucht ritz schließlich auch sie mit fort, und wenn
sie von den Kugeln verschont blieben, fielen sie auf dem
Rückzug als Gefangene in die Hände der Sieger. Der Tag
von Udine, wo Italiens Waffenehre verloren ging, war
der Tag der Rache für den schnöden Verrat, den Viktor
Emanuel an seinen alten Bundesgenossen begangen hatte.
Die französischen Kriegsziele in geschicht
licher Beleuchtung.
Von R. v. Crueger, Generalmajor z. D.
«Schluss,,
Nach Ausbruch der französischen Revolution ging Frank
reich, um auch andere Völker niit seinen neuen Ideen be
glücken zu können, schon im Jahre 1792 zur Eroberungs
politik über und nahm damit die Pläne Ludwigs XIV.
wieder auf. Die österreichischen Niederlande (Belgien) und
wandtheit Talleyrands gelang es gegenüber der unbegreif
lichen Nachgiebigkeit des Kaisers Alexander von Rußland
und der Eifersucht Österreichs auf Preußen, daß Frankreich
gegen die Grenzen von 1792 um hundert Eeviertmeilen
größer und eine Million Einwohner stärker aus den Kriegen
hervorging. Die preußischen Bevollmächtigten, die einzigen,
die große deutsche Ideen vertraten» hatten es bei der all
gemeinen Rücksichtnahme auf Frankreichs Interessen gar
nicht einmal gewagt, die Rückgabe von Elsaß-Lothringen
an Deutschland zu beantragen. Und so mußte denn Frank
reich noch nicht einmal alle im Frieden von Lunöville er
beuteten deutschen Landstriche zurückgeben.
Auch der nach Napoleons Herrschaft der hundert Tage
und seinem Zusammenbruch in der Schlacht von Belle-
Alliance am 20. November 1815 zu Paris geschlossene
zweite Friede änderte kaum etwas an den: traurigen Er
gebnis. Die von Preußen nunmehr dringend geforderte
Rückgabe von Elsaß-Lothringen scheiterte am Widerstände
Metternichs. Ja, selbst die ins französische Elsaß ein
gesprengten, 1790 noch deutsch gewesenen Gebiete (ein
Fünftel des Landes) blieben bei Frankreich. Der preußische