Volltext: Der Feldzug in Polen (6 / 1915)

ment Sonntags immer marschieren mußte, aber gestern haben 
wir endlich einmal einen richtigen Sonntag erlebt. Am Sonn¬ 
abend abend war die Kompagnie in den Schützengräben ab¬ 
gelöst worden. Wir waren mehrmals durchgeregnet und soll¬ 
ten uns nun trocknen. Am Sonntag morgen bestand die erste 
Maßregel in dem Befehle, die Südausgänge einer Scheune 
mit Stroh zu sperren, damit nicht, wie an früheren Tagen, 
die feindliche Artillerie uns von dieser Seite beobachten und 
uns in unserer Ruhe durch ihre „Reisekoffer" — so nennen 
wir die schweren Geschosse — stören könnte. Nachdem wir 
uns so Deckung geschaffen hatten, richteten wir unsere 
Kirche her. Die ganze Fläche der Scheune wurde mit rei¬ 
nem Stroh bestreut, an einer Front aus Wagen und Stüh¬ 
len ein Altar aufgebaut, der nach Bekleidung mit den Zelt¬ 
bahnen unserer Leute und nach Ausschmückung mit Tannen¬ 
reisern sehr feierlich wirkte. Um 9 Uhr standen drei Kom¬ 
pagnien unseres Bataillons - die vierte mußte 2000 Meter 
vor uns im Schützengraben bleiben - zum Gottesdienste 
bereit. Die enthüllte und gleichfalls mit Tannenzweigen ge¬ 
schmückte Fahne wurde von ihrem Träger, der, wie viele an¬ 
dere im Bataillon, das Eiserne Kreuz trägt, am Altare auf¬ 
gestellt. Pünktlich erschien der Geistliche in seiner Felduni¬ 
form, und uns allen wird es unvergeßlich bleiben, wie wir 
dann den Gottesdienst durch das Absingen des Liedes: „Ein' 
feste Burg ist unser Gott" begannen. Eine Orgel fehlte 
zwar, dafür sangen aber unsere in der Nähe aufgefahrenen 
Batterien das Lied, in ihrem eisernen Tone mit. „Ohne ihn 
werden wir nichts tun!" war der Bibelspruch, der der Rede 
des Geistlichen zugrunde gelegt war. Die dem Augenblicke 
in jeder Beziehung angepaßte Auslegung des Bibelwortes 
durch den Seelsorger hat gewiß bei jedem von uns Wider- 
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