Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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können. Seit fünf Tagen find sie schon unterwegs! Haben fünf Tage lang 
in Viehwagen auf Stroh gelegen! Und find alle verwundet, haben alle 
Schmerzen! 
Endlich haben sie die Möglichkeit, sich in weiche Polster zu fetzen; bald 
die zur Gefundung nötige Ruhe zu bekommen! Ruhe? So mancher muß 
im Lazarett noch operiert werden. Hat noch Kugeln und Schrapnellfplitter 
im Leibe. Verliert vielleicht noch im Lazarett Arm oder Bein. Oder gar 
fein Leben. 
Sie find sehr vornehme Reifende. Auch wenn sie keine Fahrkarte zweiter 
Klaffe gelöst haben wie wir — ihnen gebührt jeder Sitzplatz! Denn sie haben 
für uns draußen gestanden, dort, wo die Kugeln fliegen und die Hölle los 
ist. Wenn sie auch erdige Stiefeln und blutige Kleider haben: sie lagen für 
uns wochenlang auf schmutziger Erde und haben für uns geblutet. Sie haben 
ihre Pflicht getan — für uns, die keine Pflicht haben oder tun können . . . 
Aufstehen! Sitzen lassen! 
Es ist keine „Zumutung" für uns, mit ihnen zu fahren. Es ist eine 
Ehre! Auch wenn sie nach Jodoform riechen. Wie viel tausendmal wert- 
voller sind sie als wir — heute! Gesundheit, Kraft und Mut haben sie! Sie, 
deren höchstes Lob heißt: Sie haben nicht mehr als ihre Pflicht getan . . . 
Verachtet uns nicht, weil wir unsere Pflicht nicht tun können! 
Sich mit ihnen zu unterhalten, ist ein Vergnügen, das die Uuauuehm- 
lichkeit des Jodoformgeruches vollkommen neutralisiert. Das persönliche Er- 
lebnis ist immer wertvoll, aber nicht nur für den Erzähler — auch für den 
Lauscher. 
Und so erzählen sie denn ihre Erlebnisse, aus denen hervorgeht, daß sie 
mit deutscher Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit „gearbeitet" haben. So 
z. B. bohrte sich dem einen eine Kugel durch die rechte Hand, als er im 
Schützengraben lag. Er schoß trotzdem noch so lange weiter, bis der Blut- 
Verlust seinen Arm sinken ließ . . . Dann kroch er kilometerweit auf allen 
Vieren durch Kartoffelfelder zurück zum Verbandplatz — über sich die feind- 
lichen Kugeln vorbeipfeifen hörend . . . 
Und jeder erzählt so feine Erlebnisse. Und alle anderen stimmen bei. 
Sie alle haben so ziemlich die gleichen Erfahrungen gemacht vor dem Feinde. 
Am Verbandplatz haben sie sich zusammengefunden. Und kennen einander 
doch schon so gut. Wie Leute, die gemeinsam dem Tode ins Antlitz geschaut 
haben . . . Denn das verbrüdert — das Bewußtsein der Menschenschwäche. 
Während vermeintliche Stärke entzweit . . . 
Kameraden . . . Lauter Leute, denen das Glück hold war: einen Schritt 
mehr rechts, einen Schritt weiter links — und der Schuß wäre durchs Herz 
und nicht durch den Arm gegangen . . . Und hätte sich der eine nicht herum- 
gedreht, dann hätte er die Schrapnellspitter im Unterleib: jetzt kann er nur 
nicht sitzen . . . Nur! . . . Man macht ihm Platz, er darf sich legen. 
Und so verfliegt die Zeit. Auf jeder Station kommen neue Verwundete. 
Hier und da steht einer, den schon das Eiserne Kreuz schmückt. Er trägt
	        
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