Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Glaube zerbrechen muß, wenn er nicht wieder kommt. — Und mit den Ge- 
beten, die in diesen Tagen wie eine Legion aufgehobener Hände zu Gott 
emporstreben, flattert auch aus ihrem Herzen eine Bitte auf — für das Glück 
der anderen. 
Heute im V-Zug. 
Von Dr. S. Serberich. 
.. ist eine Rücksichtslosigkeit von der Bahnverwaltung," sagte die junge 
Frau, bte mit ihrem Mann uud Kind und dessen Wärterin im gleichen 
Abteil mit mir saß. „Den Leuten sollte man doch besondere Wagen anweisen. 
Man denke doch nur an die Ansteckungsgefahr! Sie kommen direkt vom 
Schlachtfeld! Sind kaum gewaschen und verbunden! Sind schmutzig und 
riechen nach Apotheke ... O ja, es ist eine Zumutung für das reisende 
Publikum!" 
„Wenn Sie es so empfinden . . sagte ich. Und sie wurde still. Worauf 
ihr Mann sagte: „Auch ich kann es nicht verstehen. Unsere Bahnverwaltung 
ist doch sonst ..." 
Sonst! Hat es das jemals gegeben, dieses Sonst? Wir denken stets an 
den Krieg, haben uns schon so eingelebt, daß wir vergessen haben, daß es 
jemals anders war! Nur hoffen wir, daß es anders wird! Wieder! Obwohl 
uns dieses Weltgeschichtemachen eigentlich doch behagt. Uns, die wir keine 
Philister sind. 
Sonst! Freilich, da fuhr mau ungestört (wen stört das Rattern des 
fahrenden Zuges!) und fchweigsam-gelangweilt von Nord nach Süd und von 
Ost nach West. Man saß und fuhr. So wie man an seinem Schreibtisch 
sitzt und arbeitet. 
Heute ist das Bahnfahren wieder einigermaßen zum Reisen geworden. 
Es ist wieder mühsamer und anstrengender, dafür aber auch interessanter. 
Während unsere Bahnfahrerei sonst keinen anderen Zweck hatte als die Ueber- 
Windung der Strecke, haben heute diese Stunden einen Inhalt für uns be- 
kommen. Wir hören und sehen im Zuge mehr vom Kriege als in unseren 
Städten. Was natürlich nichts ist für solche Damen, die auf Grund ihrer 
Verbildung und Einbildung nicht imstande sind, in einem Soldaten nicht 
mehr uud nicht weniger als einen Mitmenschen zu sehen. Deren innerstes 
Wesen Egoismus ist. Auch heutzutage! 
Heute sind unsere Züge überfüllt mit Verwundeten und Verbundenen. 
Mit Helden, die für uns, die wir nach wie vor in Federbetten schlafen und 
zu festgesetzten Zeiten zu Mittag und zu Abend essen, hinausgezogen sind und 
geblutet haben, die verdienen, daß sie von eben diesen Damen mit besonderer 
Hochachtung behandelt werden. Auch in ungewaschenem Zustand! 
Sie stehen herum auf allen Bahnhöfen und warten auf den v-Zng, der 
sie ans Ziel bringen soll, damit sie endlich zur Heilung ins Lazarett kommen
	        
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