Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Freiheit, sondern auch um mein Leben geschehen gewesen. Ich will hier ein- 
schalten, daß die Strafliste aus dem belgischen Fort, welche mir später die 
Bekanntschaft mit dem Pariser Untersuchungsgefängnisse vermittelte, bei diesem 
Anlasse durch die Hände des französischen Kommandanten ging, ohne daß er 
im geringsten die Anwesenheit dieses Schriftstückes in meinem Gepäcke be- 
anstandete. So wurde ich frei und durfte ins Hospiz zurückkehren, wo ich 
erfuhr, daß unser Transport nach der Schweiz am nächsten Tage seinen An- 
fang nehme. 
Am Sonntag früh wartete unser eine Anzahl Lastautomobile, und unter 
militärischem Aufgebote ging es zunächst nach Amiens. Dort wurden wir in 
einem früheren Salesianerinnenkloster untergebracht, sehr, sehr primitiv, ohne 
Decken während der kalten Nacht, und zur frugalen Mahlzeit gab es zum 
ersten Male keine Messer — ein scheinbar unbedeutender, aber vielsagender 
Nebenumstand. Hier bekamen wir schon eine Ahnung, wie dunkel sich unsere 
Zukunft gestalten sollte, die Wirklichkeit jedoch konnte damals wohl noch keiner 
ahnen. Unter der scharfen Bewachung und brutalen Behandlung begann der 
schöne Traum, unbehelligt in die Schweiz zu gelangen, allmählich zu zerrinnen. 
Ich durfte in der Hauskapelle zwar die heilige Messe lesen, aber der Direktor, 
welcher im Hanse weilte, bemerkte mir sogleich, er habe die strenge Weisung, 
mir im übrigen keine Vergünstigung vor den anderen zu gewähren. Hätte 
mir jemand an diesem 21. September gesagt: Die nächste heilige Messe liest 
du erst wieder am 17. Dezember, schwer geprüft und geläutert durch strenge 
Gefängnishaft, — ich hätte es für undenkbar gehalten. 
Am nächsten Abend traf von Paris der Befehl ein, uns nach dem sechs 
Kilometer entfernten Bahnhofe von Saleux zu bringen. Wie ein zum Tode 
Verurteilter kam ich mir vor auf meinem Henkerkarren, umringt von einer 
höhnenden Menge, die am Bahnhof über mich herfiel und mir den Hut und 
den Soldaten die Helme vom Kopfe riß, selbst Faustschläge und Steinwürfe 
blieben mir nicht erspart. Doch waren auch bessere Elemente darunter. Zwei 
Frauen, die mich in meiner Situation lebhaft an die weinenden Frauen von 
Jerusalem erinnerten, brachen sich durch die Menge Bahn und riffcn meine 
Angreifer zurück. Mein Platz war bei den Offizieren in Personenabteilen. 
Aber was mußten die armen Mannschaften ausstehen! Man denke: 43 Mann 
in einen Viehwagen gepfercht, der plombiert wurde, so daß keiner ihn auch 
nur einen Augenblick verlassen durfte. Daß man uns während der beiden 
Tage nur trockenes Brot reichte, fei nur nebenbei erwähnt. 
Am zweiten Abende stiegen die Posten, welche bisher vor unserem Fenster 
promeniert hatten, zu uns ein, und der Zug setzte sich in Bewegung. Ueber 
Beauvais ging jetzt die Fahrt auf Paris zu. Die Basilika von Montmartre 
und der Eiffelturm wurden freudigst begrüßt, wir waren alle in gehobenster 
Stimmung über die flotte Fahrt — wie sollte unsere Erwartung enttäuscht 
werden! 
„Alles aussteigen!" lautet das Kommando. Ein glänzendes Aufgebot 
von Jägern, Kürassieren und Offizieren erwartet uns. Wir sind am Bahn-
	        
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