Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Man hatte mir schon vorher alle meine Sachen genommen. Messer, 
Papiere, Wäsche, Geld, sogar meinen Rosenkranz und mein Kruzifix mußte 
ich hergeben. Selbst meine Hosenträger schienen der Spionage verdächtig, ich 
mußte sie hergeben und ohne sie etwa 25 Kilometer weit zu Fuß gehen. Ja, 
sogar das abgestempelte rote Kreuz riß man mir vom Arm herunter. Am 
Samstagmorgen um 8 Uhr langte bei der Gendarmerie über mich ein Schreiben 
vom Kriegsgericht an. Es wurde mir verheimlicht. Es enthielt bereits meine 
volle Freisprechung, ich habe es bei meiner Abreise aus Frankreich erhalten. 
Interessant für diesen Bericht ist die Erklärung im Bericht des Untersuchungs- 
richters: iL semble resulter, qu'il est de bonne foi. Das ist wohl die beste 
Legitimation für die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit meines Berichtes. Der 
Richter formuliert das Ergebnis dahin, daß er überzeugt fei von meiner 
Unschuld, nichtsdestoweniger beantragt er für mich Kriegsgefangenschaft und 
zwar ohne alle Begründung. Allein der General dachte doch ein wenig ge-- 
rechter. Er entschied die volle Freilassung. Trotz dieser Erklärung des Ge- 
nerals mußte ich zum Bahnhof wandern, um dort noch volle drei Tage bei 
Wasser und Brot mit den deutschen Gefangenen zu fasten. Dort schien ein 
Beamter mich besonders zu bevorzugen. Er bot alles auf, um mich zurück- 
zuhalten. Am Montagabend sprach ich einen Kolonel an, der einen Gefangenen- 
transport leitete. Ich bat, mitgenommen zu werden, um aus dem Schuppen 
herauszukommen. Unser Beamter sträubte sich eine Viertelstunde lang. Allein 
der Offizier dachte edler und erfüllte meinen Wunsch, so kam ich am Dienstag 
um 11 Uhr glücklich zu meinem Freipaß. 
Am Bahnhof treffe ich etwa 300 deutsche Gefangene. Aber wie? Ge- 
fangene? Dieser trägt eine Binde am Kopf, jener an der Hand usw. Das 
sind ja alles Verwundete. Was war geschehen? Die „edlen, braven, fran- 
zösischen Soldaten" (wie mir so oft von ihren Landsleuten versichert wurde) 
rückten in Eh. ein, besuchten die Spitäler und Lazarette, wo sich deutsche 
Verwundete und Kranke befanden, visitierten liebevoll deren Taschen und nahmen 
für sich, was ihnen beliebte: Geld, wertvolle Uhren, Mützen, Epauletten; ich 
selbst habe gesehen, wie Franzosen den deutschen Gefangenen die Kokarden 
von ihren Mützen herunterschnitten, darum trugen einige ihre Mützen umge- 
kehrt. Dann wurden alle Verwundeten zu Gefangenen gemacht, aus den La- 
zaretten in die Gefängnisse und ähnliche Häuser geschleppt ; acht Verwundete 
in eine Gefängniszelle, die sonst für einen Franzosen diente, so daß nicht 
einmal alle bequem sitzen konnten, und so mußten sie zwei Tage und Nächte 
ausharren ohne Nahrung und Wasser. Die Betreffenden haben es mir selbst 
erzählt. Sie fragten ängstlich besorgt, ob man sie wohl leben lasse. Am 
Samstagmorgen wurden sie dann zum Bahnhof geführt, wo ich ihnen zugesellt 
wurde mit dem Bedeuten, nicht mit ihnen zu reden. Ich habe gewisse Augen- 
blicke dann ausgenützt, um unbemerkt dem einen oder anderen ein Wort der 
Ermunterung und des Trostes zuzuflüstern. 
Die armen Gefangenen! Welch ein Anblick! Die volle Entkräftung 
stand in ihren Gesichtszügen geschrieben. Sie suchten am Boden herum, um
	        
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