Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

204 
Unsere Artillerie ist die Brandstifterin, um die Ruhe des Feindes zu stören. 
Wagengerassel und laute Rufe verkünden, daß sie ihren Zweck erreichte. Der 
Himmel wird düsterrot. Meine Leute suchen Deckung. Der hinter einem 
Busche, jener hinter einem Baum, der dritte hinter einem Erdhaufen, der 
vierte in einer Ackerfurche. Ich selbst stehe wie gebannt da, vor dem groß- 
artigen Schlachtenbild. Siebzehn brennende Dörfer zähle ich. Im Vorder- 
gründe dieses Bildes der Vernichtungen, nahe vor mir schimmert die rote 
Hose eines gefallenen Feindes, da noch eine, dort ein ganzer Haufe, 
dazwischen graue Mäntel der unfrigen, wie Kränze von Silberlorbeer. Tote 
Rosse, zerbrochene Wagen, weggeworfene Gewehre und Tornister, vervoll- 
ständigen das schauerlich-schöne Nachtgemälde. Da, ein heftiger Windstoß, 
erneuter schwerer Regenguß. Die brennenden Dörfer erscheinen wie Jrrlich- 
ter im Nebelgelände, bis sie ganz verschwinden. 
Totenstille. Nur ein Käuzchen läßt noch die letzten Akkorde seines Klage- 
liedes ertönen. Ich erwache wie aus tiefem Traum. Herr Gott, jetzt wird 
es aber Zeit, daß ich die Postenkette abgehe, ob keiner schläft! Ich kann 
mich zwar auf meine Leute verlassen, aber übergroße Ermüdung vermag alles. 
Ich komme zum ersten. Er flüstert mir zu: „Herr Unteroffizier, das ist 
furchtbar!" Der folgende stammelt ganz überwältigt von dem Eindruck: 
„Was war das?" So geht es weiter. Sie alle fühlen die Größe der 
Stunde, können sie aber nicht in Worte fassen. Ich kehre zu meinem Stand- 
orte zurück, und wieder kommt mir das Lied in den Sinn: „Steh' ich in 
fiust'rer Mitternacht." Ich denke an meine Lieben alle. Eine heiße Träne 
rinnt und ein inniges Dankgebet steigt zum Himmel, daß sie die furchtbaren 
Schrecknisse des Krieges nicht zu schauen brauchen. 
Da kommt die Ablösung. Eine kurze Meldung, und schweigend geht es 
zurück. Nun den Mantel fester um die frierenden Glieder geschlagen und 
geschlafen, denn wer weiß, was der morgige Tag bringt. Aber der Geist ist 
wach, er beherrscht den müden Körper. Immer wieder sehe ich das Bild vor 
mir . . . Auf einmal ändert sich die Szene. Ich sehe mein liebes Heimat- 
dors in Flammen stehen. Schuß auf Schuß kracht hinein. Neue Feuergar- 
ben, neue Brände Ich sehe Weib und Kind notdürftig bekleidet, mit tränen- 
dem Auge flüchten. Wohin Ihr aber zieht, neue Greuel, neue Verwüstung! 
Die Erde flammt, der Himmel brennt ... Ich entsinne mich der Wirklich- 
keit, ergreife meinen Rosenkranz und bete, bete. Ist es ein Dankgebet, 
daß Gott den frevelnden Feind im eigenen Lande die Schrecknisse des Krieges 
verkosten läßt? Ist's eine Bitte, unsere Waffen weiterhin zu segnen und 
zum endgültigen Siege zu führen?" Oder aber soll es ein Schwur sein: 
„So lang ein Tropfen Blut noch glüht, noch eine Faust den Degen zieht, 
und noch ein Arm die Büchse spannt" — betritt kein Feind anders denn als 
Gefangener unser teures Vaterland . . . Endlich siegte der übermüde Körper, 
die Augenlider sanken, und ich fiel in festen ruhigen Schlaf. 
Das war meine erste Vorpostennacht als wachhabender Unteroffizier. 
Pf. L.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.