Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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schernngszeit, sauste und toste die wilde Schar vor und um die Kirche herum 
Die meisten kannte ich schon von den Tagen vorher, an denen sie, während 
wir die Mannschaftsgeschenke aufbauten, ihre Naschen überall hineingesteckt 
hatten und wir den hilfsbereitesten schon manch Teilchen ins Mäulcheu gesteckt 
hatten. Als die Lichter brannten, wurde die Altarglocke geläutet, und da 
stürmten sie herein. Natürlich zuerst die größeren Buben und dann die 
Mädchen, meist noch ein kleines Schwesterchen oder Brüderchen an der Hand. 
Zum Schluß die Mütter, die Allerkleinsten auf dem Arm. Reinliche Schei- 
dung zwischen Buben und Mädel rechts und links, dann erwartungsvolle 
Augen, als sie alle auf und in die Bänke geklettert waren. Ich erzählte 
ihnen, daß sie dem Christkind und der Liebenswürdigkeit und Güte unseres 
Kommandeurs dieses Fest zu verdanken hätten. Eifrig nickten da einige. Die 
Eltern erinnerte ich daran, stets an diesen Abend zu denken, wenn man ihnen 
Schlechtes von den Deutschen sagen würde. Mag mein Französisch schlecht 
gewesen sein, der Wille war gut. Dann kamen sie einzeln vor, immer ein 
Bub und ein Mädel Hand in Hand, und erhielten jedes ein Paketchen mit 
Spekulatius, Printen und Süßigkeiten, alles Sachen, die die Mannschaften 
und wir aus unseren Weihnachtsgaben ausgewählt hatten. „Merci, Monsieur," 
ein putziges Knixchen lohnt uns. Manchmal erstickte auch das Merci an dem 
Fingerchen im Schnabel. Ein gemeinsames Lied sangen sie dann auf An- 
Weisung des Pfarrers, der sich inzwischen auch eingefunden hatte. Ich glaube, 
es war Ave maris stella. Als die hellen Kinderstimmchen ertönten und sie 
zum Schluß drei Vaterunser für „die braven Soldaten" beteten, die ihnen 
dieses Weihnachtsfest bereitet, da hat mancher von uns eine Träne zerdrückt, 
mancher Familienvater an seinen Jungen, an sein Töchterchen zu Hause 
gedacht, die auch Abend für Abend für den im Feld stehenden Vater ihr 
Gebet zum Himmel schicken. 
Gefreut hat es uns auch, daß der französische Pfarrer zum Schluß seinem 
Dank unverhohlen Ausdruck gab und meinte, Kinderherzen seien empfänglich 
und vergäßen schwer. Dies Fest unter dem deutschen Lichterbaum werde sich 
für immer in die Kinderherzen eingraben und ihre Dankbarkeit gegen uns 
eine dauernde sein. Uns wünschte er dann, verschont zu bleiben von allen 
Fährnissen des Krieges und, wenn unsere Sache gut sei, den Sieg. Wir 
sahen ihn voll an, denn wir konnten vor den Worten des alten klugen Greises 
bestehen. Nicht besser kann ja unsere Sache sein! So mag das Segenswort 
des Pfarrers denn in Erfüllung gehen! Wir sind froh des Festes und über- 
zeugt, daß hier in St. I. stets mit angenehmem Erinnern unser gedacht wird. 
Das ist die Hauptsache. Auch das gehört m. E. mit zur erfolgreichen Krieg- 
führung, daß man die Bewohner der eroberten Gebiete versöhnt und ihnen 
ihr Schicksal leicht macht. K. B.
	        
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