Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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mehr als sie war es der fromme Sinn unserer Krieger, die in Frankreich 
wohl auf der ganzen Länge der Front Gelegenheit erhalten hatten, beim Feld- 
gottesdienst so recht aus dem Herzen das Lied des Advents: „Tauet, Himmel, 
den Gerechten" zu singen. Aber da seit vierzehn Tagen in fast stündlich 
steigender Flut die Weihnachtsposisendungen kamen, gab's im täglichen Gespräch 
„zu Hause" und im Schützengraben nichts anderes mehr als die Frage: Wo 
und wie feiern wir Weihnachten? Wenn die Pakete geöffnet wurden, ent- 
strömte ihnen ein gar würziger Hauch von Tannenreisern, Printen und Spe- 
kulatius, die Zigarren und Pfeifen glühten in lückenloser Kette und viele 
niedliche Fläschchen kreisten beständig. Aus der Tiefe der schier unerschöps- 
lichen Weihnachtspakete tauchten, von allgemeinem Jubel begrüßt, zierliche 
Christbänmchen, Kerzen, goldene Nüsse, Flitter und alle jene lieben süßen 
Sachen auf, ohne die wir uns deutsche Weihnachten nun einmal nicht denken 
können. 
Da war's verständlich, wenn die kühnsten Pläne für Weihnachtsfeiern 
geschmiedet wurden. Viele glaubten, daß wir Glück hätten und just am Abend 
des 24. aus dem Schützengraben ins Quartier heimkehrten; aber sie hatten 
die Rechnung ohne die Herren Kommandeure gemacht, deren Befehle uns am 
24. vor den Feind schickten, andere Kompagnien aber in den Stand setzten, 
den Heiligen Abend im Quartier zu verbringen. So ist's im Felde: Heute 
mir, morgen dir! Da war denn der Vorabend, der Abend des 24., für eine 
Feier in der Kompagnie gegeben. Ein edler, ein rührender Wetteifer hatte 
zuwege gebracht, daß um L Uhr abends zwei prächtige Christbäumcheu im 
Glänze der Lichter erstrahlen konnten. Die Umgebung dieser beiden Bäumchen 
war so, wie sie idealer nicht gedacht werden kann: eine große Scheune, aus 
deren Gebälk Strohhalme in den freien Luftraum herniederhingen, und es 
fehlten nur die beiden bekannten lieben Haustiere, um das Bild, das wir vom 
Stalle zu Bethlehem im Sinne tragen, vollständig zu machen. Die Kompagnie 
scharte sich um den Baum. Ohne daß auch nur irgend jemand ein Zeichen 
gegeben hatte — mit einem Male erklang das Weihnachtslied: Stille Nacht, 
heilige Nacht. Dann trat aus der Männerschar, deren Augen in tiefinnerster 
Freude dem Glanz der Lichter zugewandt waren, ein Sprecher hervor und 
würdigte in schlichter Rede die weihevolle Stunde. 
War es die stürmisch aufquellende Erinnerung an die liebe Heimat, die 
Sehnsuckt nach den Lieben im Vaterlande oder der erschütternde Eindruck des 
Augenblicks — unaufhaltsam rollten die Tränen, und jeder gab sich lange, 
lange dieser beglückenden Wehmut hin. Dieses Schweigen brach eine kurze, 
zu "Herzen dringende Ansprache des Kompagnieführers, und dann schallten in 
melodischem Strom die alten lieben Weihnachtslieder empor. Zeit und Raum 
versanken vor uns. In der Seele tiesbewegt schieden wir. 
Drüben vom Feinde her grollte der Donner der Kanonen. Der milde 
Glanz der Sternlein, die uns auf dem Wege zum Quartier freundlich zu- 
blinkten — wie vielen leuchtete er in dieser hochheiligen Nacht zum frühen
	        
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