Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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vereinigen und mit Mir am 5. August einen außerordentlichen allgemeinen Bettag zu begehen. 
An allen gottesdienstlichen Stätten im Lande versammele sich an diesem Tage Mein Volt 
in ernster Feier zur Anrufung Gottes, daß Er mit uns sei und unsere Waffen segne. Nach 
dem Gottesdienst möge dann, wie die dringende Not der Zeit es erfordert, ein jeder zu 
seiner Arbeit zurückkehren. 
Ein unvergeßlicher Augenblick war es, als am 4. August der Kaiser im 
Weißen Saale des kgl. Schlosses den Reichstag mit einer herzergreifenden 
Ansprache eröffnete. Der Reichstag jubelte ihm zu in spontaner, männlicher 
Begeisterung, daß manchem alten Parteikämpen die Tränen über die Backen 
liefen. Wohl noch nie sah der Weiße Saal bei der Eröffnung des Reichs- 
tages so viele Volksvertreter wie an diesem Tage, obwohl infolge der Mobil- 
machung mancher nicht mehr rechtzeitig in Berlin eintreffen konnte. Als der 
Kaiser mit den königlichen Prinzen und dem Gefolge — alle in feldmarsch¬ 
mäßiger Uniform — aus der Kapelle kam, begrüßte ihn ein dreifaches, brau- 
sendes Hoch, Reichstagspräsident Kaempf stimmte es an. Langsam und mit 
gedämpfter Stimme begann dann der Kaiser, der sehr ernst dreinblickte, die 
Thronrede zu verlesen: 
Geehrte Herren! In schicksalsschwerer Stunde habe Ich die gewählten Vertreter des 
deutschen Volkes um Mich versammelt. Fast ein halbes Jahrhundert lang konnten wir auf 
dem Wege des Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische Neigungen anzudichten 
und seine Stellung in der Welt einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte 
Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat Meine Regierung auch unter heraus- 
fordernden Umständen die Entwicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte 
als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge gewesen, wie unermüdlich wir in dem Drang 
und den Wirren der letzten Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas einen 
Krieg zwischen Großmächten zu ersparen. 
Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am Balkan heraufbeschworen waren, 
schienen überwunden. Da tat sich mit der Ermordung Meines Freundes, des Erzherzogs 
Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher Verbündeter, der Kaiser und König Franz 
Josef, war gezwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines Reiches gegen 
gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer be- 
rechtigten Interessen ist der verbündeten Monarchie das Russische Reich in den Weg getreten. 
An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zu- 
gleich die gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft der beiden Reiche unsere 
eigene Stellung gegen den Ansturm feindlicher Kräfte zu schirmen. 
Mit schwerem Herzen habe ich Meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren müssen, 
mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem Leid 
sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft zerbrechen. Die kaiserlich-rusfische 
Regierung hat sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nachgebend, für einen 
Staat eingesetzt, der durch Begünstigung verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges 
veranlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer Gegner gestellt hat, konnte uns 
nicht überraschen. Zu oft sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik zu freund- 
licheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoffnungen und alten Groll gestoßen. 
Geehrte Herren! Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um ein Volk für die 
letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feind- 
seligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu 
hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Jnteressen- 
konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen 
Jahren tätigen Uebelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reiches.
	        
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