Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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ungehindert zur EntWickelung und zum Ausdruck zu bringen. Politiker nehmen 
in demselben Grade an Macht und Bedeutung ab, wie die Wähler an Zahl 
und Einfluß zunehmen. Ein Genie muß sich selbst treu bleiben, um zu voller 
Blüte zu gelangen. Es ist unmöglich, sich um die Gunst eines Wahlkreises 
zu bemühen und gleichzeitig ganz „man selbst" zu bleiben. Der deutsche 
Kaiser ist weniger als irgendein anderer Herrscher durch Rücksichten auf Volks- 
gunst behindert, und dabei leitet und beeinflußt er nicht etwa russische Bauern 
oder türkische Sklaven, sondern ein unterrichtetes, aufgeklärtes und ehrgeiziges 
Volk. Diese Zusammenstellung steht in der heutigen Welt natürlich einzig da, 
und die Deutschen scheinen ihren Herrscher im ganzen trotz gelegentlicher 
Streiche, die heimische und ausländische Kritik herausfordern, als einen wert- 
vollen Bestand zu betrachten. ... Er ist vielseitig, aber Vielseitigkeit ist eine 
Tugend, solange sie sich nicht auf Grundsätze erstreckt. Jeder Mensch, der 
einen tiefgehenden Einfluß auf die Welt ausgeübt hat, von Moses bis auf 
Lincoln, ist vielseitig gewesen. . . . Der Kaiser spricht Französisch so gut, daß 
er eine Ansprache an die Academie halten könnte; er spricht Englisch so gut 
wie ein gebildeter Amerikaner, und in uuseru Tagen spricht es keiner dent- 
licher, schärfer und flinker; er hält vortreffliche Predigten, ist ein vollendeter 
Buchbinder und geradezu kühn in seinen Zu- und Abneigungen, seinen Be- 
strebungen und Überzeugungen. Mit einem Wort: er hat jedenfalls kein 
Kriecherblut in den Adern. Mag man ihn nicht, so weiß man warum, und 
hat man ihn gern, so ist man sich ebenso klar über den Grund. Er weiß 
sogar, was er vom Frauenwahlrecht und von Gott hält, und das will in 
dieser unklaren Zeit viel sagen. Vor uns steht ein Mann, der scheinbar so 
gesund an Leib und Seele ist wie nur irgendeiner, der auf deutschem Boden 
einhergeht: ein Mann von großer Lebhaftigkeit des Geistes und Körpers und 
von wohltuender Lebensfreudigkeit, der ungeheure Verantwortlichkeiten mit 
guter Laune, und jenes unzuträglichste aller Dinge, unbestrittene Macht, mit 
Demut trägt.... Was unter seiner 25jährigen Regierung aus Deutschland 
geworden ist, weiß die ganze Welt, beneidet ein großer Teil und fürchtet 
ein anderer Teil der Welt. Wie sein eigenes Volk über ihn denkt, läßt sich 
am besten dadurch ausdrücken, daß seine Macht nie auf so festen Füßen 
gestanden hat wie heute. 
Das Urteil des klugen, kenntnisreichen Amerikaners hat wohl schon da 
und dort Beifall gefunden, aber es war allen, die den Kaiser lieben und ver- 
ehren, nie so sehr aus dem Herzen gesprochen, wie in diesen Tagen, wo er 
wie noch nie zuvor dem ganzen deutschen Volke gehört und wo wir im Hin- 
blick auf ihn zum ersten Mal mit einer durch die glorreichen Taten unseres 
Heeres gehobenen Begeisterung singen dürfen: 
Heil dir im Siegerkranz! C.H.
	        
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