Oeffentliche Wege — Privatwege.
die öffentlichen Wege zugleich den Haushalt der Gemeinde betrifft. Laut Erkenntnis
des Ministeriums des Innern, vom 31. Juli 1877, 3. 7146, hat über die Frage,
ob der eingezäunte Theil einer Parcelle einen Bestandtheil des. oöffentlichen Orts⸗
platzes bilde, mit Rücksicht auf 8 28 G. O, laut welchem jede Verfügung über
das Stammgut der Gemeinde der Beschlußfassung des Gemeinde⸗-Ausschusses unter—
liegt, der Gemeinde-Ausschuß in erster Linie zu entscheiden. (B. 3. Nr. 47.)
Es frägt sich nun, nach welchen Kennzeichen und Rücksichten der Gemeinde—
Ausschuß bei Entscheidung in Betreff der Oeffentlichkeit eines Weges vorgehen solle.
Viele Gemeinden beurtheilten bisher die Oeffentlichkeit eines Weges nur nach
dem Cataster, so daß die im Cataster ausgezeigten Wegparcellen unter die
öffentlichen oder Gemeinde⸗Wege und alle bestehenden Wege, die nicht als Weg—
parcellen incatastriert sind, unter die Privatwege eingereiht wurden. Die Auszeigung
eines Weges im Cataster für sich allein ist aber noch kein Beweis für die Oeffent—
lichkeit eines Weges, sondern nur ein wichtiges Moment neben anderen Umständen,
welche die Eigenschaft eines Weges als öffentlichen Weg bezeugen. Viele im Cataster
als steuerfrei ausgeschiedene Wegparcellen sind Privatwege und viele im Cataster
nicht ausgezeigte Wege sind öffentliche Wege. Maßgebend für die Oeffent—
lichkeit eines Weges ist der factische Bestand eines öffentlichen Ver—
kehres, die langgeübte, ungehinderte und unangefochtene allgemeine
Benützung des Weges.
Hiebei kommt die Eigenthumsfrage gar nicht in Betracht. Vielverbreitet ist
die irrige Ansicht, daß ein öffentlicher Weg, der nicht zu den Reichs⸗, Landes- und
Bezirksstraßen zählt, der sich somit als ein Gemeindeweg darstellt, auch Eigenthum
der Gemeinde sei. Gemeindewege sind oft Privateigenthum eines Grundbesitzers.
Die Oeffentlichkeit hat gleichsam ein ersessenes Servitutsrecht auf diese Wege, die dem
Eigenthümer zur freien Verfügung zurückfallen, sobald sie durch Ablenkung des
öffentlichen Verkehres für diesen das Interesse vollständig verlieren. — Nach Er—
kenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. December 1882, 3. 2466, gehört
dem Gebiete der Verwaltung lediglich die Frage an, ob eine vorhandene Straße nach
ihrer Lage, ihrer bisherigen Benützung und nach ihrer Bedeutung für die allge—
meinen Interessen als eine öffentliche anzusehen sei, und es steht den Verwaltungs⸗
organen nur zu, die zur unbehinderten Aufrechthaltung des öffentlichen Verkehres
nöthige Verfügung zu treffen. Ob jedoch allfällige und welche privatrechtliche An—
sprüche rücksichtlich der Straßenfläche bestehen, darüber kann im Falle eines Streites
nur der ordentliche Richter entscheiden.
Bei dem Mangel bestimmter gesetzlicher Normen für die Beurtheilung der
Oeffentlichkeit eines Weges läßt sich auch für die Praxis keine bestimmte Zeitdauer
feststellen, wie lange ein Weg in der freien öffentlichen Benützung stehen müsse,
damit der öffentliche Verkehr ein Recht hierauf erlange und der Weg als ein öffent—
licher Weg erklärt werden könne. Vielseitig wird hiezu die dreißigjährige Ersitzungs—
und Verjaͤhrungszeit des a. b. G. B. gefordert. Allerdings muß bei Entscheidung
über die Oeffentlichkeit eines Weges die dreißigjährige öffentliche Benützung bezüglich
der Zeitdauer vollständig ausreichen; doch kann ein Weg nach Maßßgabe seiner
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