Armengesetz. 223
reichischen Landtages am 8. Juli 1880 äußerte sich der Regierungsvertreter, daß
nach seiner Ueberzeugung das Armengesetz bei richtiger Anwendung sich bald in der
Bevölkerung einleben werde.
Die Voraussetzung der Regierungsvertretung ist zur Wahrheit geworden,
das Gesetz hat sich in den Stadt- und Landgemeinden vollständig eingelebt, seit
seiner Wirksamkeit sind zahlreiche Armenhäuser entstanden oder in der Errichtung
begriffen und der Landesausschuß konnte in seinem in der Landtagssession 1883
vorgelegten Rechenschaftsberichte constatieren, daß das Armengesetz vom 5. Sep—
tember 1880 im Kronlande allerorts festen Boden gefaßt, und daß die Grund—
sätze dieses Gesetzes, sowie das Wirken der Armenräthe auf dem Felde der
öffentlichen Armenpflege bereits unverkennbar ihre gemeinnützigen Spuren gezogen
haben.
3. Gesetz vom 5. September 1880
betreffend die öffentliche Armenpflege der Gemeinden.
(L. G. Bl. Nr. 12.)
Einleitung.
Begriff der öffentlichen Armeupflege der Gemeinden.
8 1. Die öffentliche Armenpflege der Gemeinden ist eine durch das gegen—
wärtige Gesetz geordnete Einrichtung zur Versorgung und Unterstützung der Armen,
wie auch zur Beerdigung derselben im Falle des Ablebens.
Begriff der Armut.
8 2. Wer nicht imstande ist, durch eigene Kraft oder Mittel sich und seiner
Familie den unentbehrlichsten Lebensunterhalt zu verschaffen, ist im Sinne dieses
Gesetzes als arm zu betrachten.—
Begriff der Versorgung und Unterstützung.
33. Die Versorgung umfaßt die gänzliche Erhaltung des Armen und hat
einzutreten, wenn die Unvermögenheit zur Erwerbung und Bestreitung des unent—
behrlichsten Lebensunterhaltes bei dem Abgange sonstiger Hilfsmittel eine voll—
ständige ist.
Die Unterstützung deckt denjenigen Theil des unentbehrlichsten Lebens-Unter—
haltes, welchen der Arme durch eigene Kraft oder Mittel oder durch anderweitige
Hilfe nicht zu beschaffen vermag.
Die Versorgung und Unterstützung wird eine ständige oder zeitweilige, je
nachdem die Unvermögenheit und Hilfsbedürftigkeit des Armen eine andauernde
oder vorübergehende ist.
Becgriff der Beerdigung.
Z 4. Die Beerdigung begreift außer der sanitätspolizeilichen Bestattung
auch, sofern es die Umstände möglich machen, die Veranlassung eines einfachen
rituellen Begräbnisses (8 40.)
Erster Abschnitt. IJ
Allgemeine Pflichten und Rechte.
Pflicht der Gemeinde gegen die angehörigen Armen.
8 5. Die Ortsgemeinde hat die Aufgabe, ihre Heimatberechtigten im Ver—
armungsfalle zu versorgen oder zu unterstützen. (8S 22 H. G. 3. December 1863.)