Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Die neue Laufbahn und die neuen Lehrjahre. 37 
die ganze Auflage zu haben sein!" Ein recht charakteristischer Wort 
wechsel zwischen Mutter und Sohn, wie zwischen zwei litterarischen 
Nebenbuhlern! Noch merkwürdiger ist, daß beide Recht hatten. Es kam 
eine Zeit, wo die Werke Arthur Schopenhauers eingestampft und die 
seiner Mutter gesammelt, neu aufgelegt und viel gelesen wurden; heut 
zu Tage liegen die Werke der Johanna Schopenhauer in der Rumpel 
kammer, wo sie für immer bleiben, während die ihres Sohnes in Volks 
ausgaben von Hand zu Hand gehen. 
Mehr und mehr verbitterten sich damals die Stimnlungen von 
beiden Seiten und durch beiderseitige Schuld. Daß nach der Schlacht 
bei Leipzig der Sohn im Stande sein konnte, von dem nationalen 
Aufschwünge, den Heldenthaten und der Siegesfreude der Deutschen 
theilnahmlos und spöttisch zu reden, mußte die patriotischen Gefühle 
der Mutter auf das äußerste empören? 
3. Die häuslichen Differenzen. 
Seit einiger Zeit lebte in ihrem Hause ein jüngerer ihr befreun 
deter Mann, den Arthur schon im Mai zu seinem großen Verdruß 
hier angetroffen hatte: Friedrich Müller aus Ronneburg im Alten 
burgischen (später durch die Adoption eines Oheims mütterlicherseits 
„von Gerstenbergk" genannt), Verfasser der „Kaledonischen Erzäh 
lungen" und der Gedichte, die in dem Roman „Gabriele" ein 
geflochten wurden. Es kam zwischen den beiden Männern sehr bald 
zu heftigen Auftritten, denen heftige Auftritte zwischen Mutter und 
Sohn folgten. Am Ende verkehrten diese beiden unter demselben Dache 
nur noch schriftlich, bis ihm zuletzt die Mutter die Wohnung kündigte 
und den Absagebrief schrieb. 
1 In dem oben erwähnten Briefe an Fr. A. Wolf vom 24. November 1813 
entschuldigt Schopenhauer seinen Mangel an kriegerischem Patriotismus: „Ich bin, 
wie Sie sehen, den Musen auch unter dem allgemeinen Waffengetümmel treu ge 
blieben. Vielleicht wird es mancher tadeln: aber ich bin mir bewußt, Recht 
gethan zu haben, daß ich nicht in einen Wirkungskreis trat, in welchem ich nichts 
als gute» Willen hätte zeigen können und dafür einen verließ, in welchem ich, 
wenn die Götter es zulassen, mehr zu leisten hoffe." — „Weimar hat bloß durch 
Einquartierung gelitten: das Land aber ist durch Kosacken schrecklich verheert. 
Ueber die glückliche Befreiung Deutschlands und eben dadurch der höher» Kultur 
vom Druck der Barbaren wäre es überflüssig, Ihnen meine Freude zu schildern." 
Schemann. Schopenhauer-Briefe. S. 69—71. Grisebach: A. Schopenhauers hand 
schriftlicher Nachlaß. IV. Baud. S. 478-479.
	        
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