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Die Kritik der Darstellungsart.
wichtiger Welt- und Lebensprobleme, daß ich auf die Schilderung
dieser in der philosophischen Litteratur ungewohnten Meisterschaft der
Rede und Schreibart, dieser immer in die Tiefe dringenden Klarheit,
nicht mehr zurückkomme. Dagegen will ich meine Beurtheilung nicht
schließen, ohne auch gewisse Mängel seiner Darstellung zur Sprache
gebracht zu haben, nicht um sie zu bekritteln, sondern weil sie zur
vollständigen Kenntniß des Mannes und seiner Sache nicht unbemerkt
bleiben dürfen. Keiner dieser Mängel haftet an einer Unfähigkeit
oder an einem intellectuellen Gebrechen; sie folgen theils aus der Ent
stehungsweise seiner Werke, theils aus Eigenheiten und Kapricen, welche
er leicht hätte beherrschen können, aber er hielt sie für Tugenden.
I. Wiederholungen.
Dieser ausgezeichnete philosophische Schriftsteller war kein Viel
schreiber, sondern ein „Oligograph", wie er sich selbst bezeichnet hat,
denn er wählte gern einen griechischen Ausdruck. Da aber seine neuen
Werke großentheils dadurch zu Stande kamen, daß er die schon vor
handenen weiter ausführte oder kürzer zusammenzog oder ergänzte und
zu den Ergänzungen wieder Ergänzungen schrieb, so konnte es nicht
fehlen, daß er dieselben Ideen oft wiederholt hat, obgleich er das
Gegentheil zu versichern Pflegte. Wir erinnern unsere Leser an die
Menge der von uns angeführten Parallelstellen. Seine Werke sind
überreich an Doubletten, deren Vergleichung und Unterscheidung einer
genauen und sorgfältigen Darlegung der Lehre ganz besondere Schwierig
keiten verursacht. Wiederholungen verunstaltender Art sind die vielen
polemischen Transpirationen: sobald die Rede auf gewisse Themata
kommt, wie z. B. das Absolutum u. a., folgt allemal die Uebergießung.
Man wittert sie schon im voraus.
2. Citate und Fremdwörter.
Seinen Sprachtalenten und Sprachkenntnissen, wie dem Reichthum
und der Auswahl seiner Lesefrüchte gebührt alles Lob; er hat sie
vortrefflich zu verwerthen gewußt und sie haben sich im Dienste seiner
Feder als glänzende Mittet der Darstellung erwiesen; wenn er uns
auch bisweilen zu reichlich und zu viel auf einmal mit Lesefrüchten be
wirthet. Was ich aber bei einem Schriftsteller, wie er, der classisch
zu schreiben versteht, unrichtig und formlos finde, ist der buntscheckige
Haufen vielsprachiger Citate, den er gern ausschüttet, bald mit, bald