Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Die neue Laufbahn und die neuen Lehrjahre. 35 
Damit verbitterst du die Menschen um dich her, niemand will sich auf 
eine so gewalsame Weise bessern und erleuchten lassen, am wenigsten 
von einem so unbedeutenden Individuum, wie du doch noch bist. 
Niemand kann es ertragen, von dir, der doch auch so viele Blößen 
giebt, sich tadeln zu lassen, und am wenigsten in deiner absprechenden 
Manier, die im Orakelton gerade heraussagt: «so und so ist es», 
ohne weiter eine Einwendung nur zu vermuthen. Wärest du weniger, 
als du bist, so wärest du nur lächerlich, so aber bist du höchst ärger 
lich." „Solch eine ambulante Litteraturzeitung, wie du gern sein 
möchtest, ist ein langweiliges und gehässiges Ding." 
In diesen Worten konnte der junge Schopenhauer sich spiegeln; 
er ist geschildert, wie er leibt und lebt. Beherrschen aber konnte er 
die Unart, welche die Mutter ihm vorhielt, mit nichten, denn sie war 
der unmittelbarste Ausdruck seiner Willens- und Geistesart. Die Willens 
art gab den pessimistischen tiefen Grundton, die Geistesart die Hellen 
und scharfen Töne des Witzes und Spottes. So war er und so ist 
er stets geblieben; er ist mit den Jahren wohl zurückhaltender, „zu 
geknöpfter", wie er zu sagen pflegte, klüger vielleicht, aber kein anderer 
geworden. Und so verhält es sich ja nach seiner Lehre, die aus seiner 
Selbstergründung hervorging, mit den menschlichen Charakteren über 
haupt. 
Mutter und Sohn standen so zu einander, daß im Widerstreit 
mit dem Naturgesetz ihre wechselseitige Anziehung mit der Größe der 
Entfernung zunahm; in der nächsten Nähe wirkte nur die Repulsion. 
Arthur sagte oft zu seiner Mutter: „wir beide sind zwei!" Er sollte 
ihrem Wunsche gemäß das Gymnasium nicht in Weimar besuchen, 
sondern in Gotha; er sollte in Weimar nicht bei ihr, sondern außer 
halb ihres Hauses wohnen. Als er sich für Weimar entschieden hatte, 
schrieb sie ihm (den 13. December 1807): „Es ist zu meinem Glücke 
nothwendig zu wissen, daß du glücklich bist, aber nicht ein Zeuge davon 
zu sein. Ich habe dir immer gesagt, es wäre sehr schwer mit dir zu 
leben, und je näher ich dich betrachte, desto mehr scheint diese Schwierig 
keit für mich wenigstens zuzunehmen." „Auch dein Mißmuth ist mir 
drückend und verstimmt meinen heiteren Humor, ohne daß es dir 
etwas hilft. Sieh, lieber Arthur, du bist nur auf Tage bei mir zum 
Besuch gewesen, und jedesmal gab es heftige Scenen um nichts und 
wieder nichts, und jedesmal athmete ich erst frei, wenn du weg warst, 
weil deine Gegenwart, deine Klagen über unvermeidliche Dinge, deine
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.