Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Verhältniß der Lehre Schopenhauers zu der Neligron und den Religionen. 459 
der Lehre von der Willensverneinung übereinstimmt: dieses Element 
ist im Judenthum der Mythus vom Sündenfall, im Hellenenthum 
die Tragödie, im Islam die (im neunten Jahrhundert unserer Zeit 
rechnung entstandene) Secte des mystisch und pantheistisch gesinnten 
Sufismus? 
Der Mythus vom Sündenfall enthält zwei Factoren, die nicht 
auf jüdischem Boden gewachsen, überhaupt nicht semitischen, sondern 
arischen Ursprungs sind: die Lehre von unserem verschuldeten, sünd 
haften, darum leidensvollen Dasein und die Satansidee; jene ist 
indischer, diese persischer Herkunft. Je schroffer und starrer, je 
roher und fanatischer der Monotheismus ist, um so schlechter und 
verwerflicher: diese seine schlechteste Art ist der Islam. Das non plus 
ultra des Eudämonismus ist das künftige Paradies aller Sinnes 
genüsse, welches Mohammed seinen Gläubigen verheißen hat; das 
non plus ultra des Optimismus ist die mosaische Schöpfungslehre, 
nach welcher Jehova am sechsten Tage sein Schöpfungswerk — diese 
Welt, die gerade zur Noth besteht, mit Ach und Krach, wie man zu 
sagen pflegt, und von Uebeln und Leiden aller Art geradezu wimmelt* — 
über alle Maßen schön und vortrefflich befunden hat: «irävta «aX« Xi«v». 
Schopenhauer kann das Schlußwort der Schöpfung: „Alles war sehr 
gut!" nicht oft genug wiederholen, um diese ärgste aller Verblendungen, 
diesen in dem Grundirrthum der Willensbejahung versunkenen Charakter 
des jüdischen Monotheismus zu kennzeichnen. Wer den Willen dieses 
Gottes erfüllt und thut, was er befiehlt, der wird belohnt, zwar nicht 
durch ein künftiges, aber durch ein sehr langes gegenwärtiges Leben 
und irdisches Wohlergehen. „Auf daß es dir wohlgebe und du lange 
lebest aus Erden!" Darin besteht das Thema des jüdischen Eu 
dämonismus. 
2. Das echte und unechte Christenthum. 
Das historische Christenthum besteht aus zwei ganz heterogenen 
Elementen, die zwar aus geschichtlichen Gründen zusammenhängen, aus 
inneren dagegen einander völlig widerstreiten: diese beiden Elemente 
sind das Judenthum und das echte, dem Heile der Menschheit adäquate 
Christenthum, die sich zu einander verhalten, wie der Monotheismus zur 
i Die Welt als Wille u. s. f. Bd. II. Cap. XLVIII. S. 694-695.
	        
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