Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Fundament der Ethik als deren zweites Grundproblem. 431 
der Ethik", welches Schopenhauer unter dem Titel „Das Fundament 
der Moral" in seiner zweiten Preisschrift behandelt hat.' 
Man muß wohl unterscheiden zwischen dem Grundsatz und der 
Grundlage, zwischen dem Princip und dem Fundament der Moral: 
jenes erklärt, was Moralität ist und in aller Welt als solche gilt, 
dieses begründet die Sache; jenes enthält das Was (o,u), dieses das 
Warum (Siöit). Die Frage nach dem Princip oder Grundsatz ist 
nicht schwer zu beantworten, und säst alle Moralsysteme laufen auf 
dasselbe hinaus; dagegen sei die Frage nach dem Fundament sehr- 
schwer zu beantworten und auch bisher noch nie wirklich beantwortet 
worden. Daher lautet das Motto der Schrift: „Moral predigen, ist 
leicht, Moral begründen schwer"? 
2. Die Kritik der Kantischen Sittenlehre. 
Auch die Kantische Sittenlehre trotz ihrem seit zwei Menschen 
altern herrschenden Ansehen habe die Frage keineswegs gelöst: viel 
mehr habe sie den Grundsatz mit der Grundlage vermischt, sie habe 
jenen nicht so sormulirt, daß er den Charakter der Moralität richtig 
und genau ausspreche, sie habe diese in drei verschiedenen Formen 
darzuthun gesucht, als die absolute Gesetzmäßigkeit der Maxime, als 
die unbedingte Achtung der Menschenwürde und als die Autonomie 
des Willens; sie habe „Rechtspflichten" und „Tugendpflichteu" unter 
schieden, während jene zu diesen gehören oder, besser gesagt, die recht 
liche Denk- und Handlungsweise nicht Tugendpflicht, sondern Tugend 
zu nennen sei, sie habe die „Pflichten gegen sich selbst" als eine be 
sondere Kategorie behandelt, während es solche Pflichten überhaupt 
nicht gebe; endlich habe sie von dem Pflichtbegriff eine viel zu weite 
und darum falsche Anwendung gemacht: der Umfang der Pflicht 
reiche nicht weiter, als die eingegangene Verpflichtung, daher von 
absoluten Pflichten so wenig geredet werden könne, als von absoluten 
Zwecken, absolutem Sollen, kategorischen Imperativen u. s. w. Die 
Form der Gebote stamme aus dem Dekalog, die theologische Moral 
bilde die Wurzel der Kantischen Sittenlehre, daher es nicht zu ver 
1 Die Welt als Wille u. s. f. I. § 62. S. 402 Anmkg. Die beiden Grund 
probleme der Ethik (1841). S. 101—272. § 10—22. Frauenstädts Gesammt- 
Ausgabe. Bd. IV. S. 103—275. (Die erste Hälfte des Textes enthält die 
polemische Kritik der Kantischen Sittenlehre.) — 2 S. oben Buch I. Cap. V. S. 83 ff.
	        
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