Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Stufenreich der Künste. 
887 
Als die größten Tonkünstler der Oper erkennt er Mozart 
und Rossini, der den Text bisweilen mit höhnender Verachtung 
behandelt habe; das sei zwar nicht zu loben, aber echt musi 
kalisch, während Gluck, der in seinen Operw die Musik ganz zum 
Knechte schlechter Poesie habe machen wollen, einen Irrweg gewandelt 
fei. 1 Beispiele malender Musik finden sich bei Haydn in Stellen 
seiner Jahreszeiten und seiner Schöpfung. 
Was die metaphysische Bedeutung der Musik betrifft, so findet 
sich R. Wagner in vollem Einverständniß mit Schopenhauer; was da 
gegen die dramatische Behandlung der Musik, die Verbindung zwischen 
Musik und Poesie in der Oper angeht, so erscheint uns Schopenhauer 
keineswegs einverstanden mit Wagner. 
Da die Musik die umfassendste und tiefste der Künste ist, so soll 
sie auch die selbständigste sein und keinen fremden Zwecken dienen. 
Ueber die Nützlichkeitsmusik wie Kirchen-, Opern-, Militär-, Tanzmusik 
u. dgl. m., denkt Schopenhauer, wie über die Nützlichkeitsarchitektur. 
Die moderne Baukunst ist fast gänzlich auf den Dienst des menschlichen 
Nutzens angewiesen, daher der Künstler darauf bedacht sein muß, so 
viel als möglich von der schönen Architektur zu retten und mit der 
Zweckmäßigkeit die Schönheit zu vereinigen. Die Musik ist günstiger 
gestellt: „sie bewegt sich frei im Concert, in der Sonate und vor allem 
in der Symphonie, ihrem schönsten Tummelplatz, auf welchem sie ihre 
Saturnalien feiert". 2 
8. Das Tongebilde. Rhythmus, Harmonie und Melodie. 
Jeder Ton hat seine bestimmte Quantität und Qualität: jene be 
steht in einer gewissen Zeitdauer, diese in einer gewissen Höhe. Die nach 
dem Wechsel der Zeitdauer oder des Zeitmaßes geregelte Tonfolge ist 
der Rhythmus; der Unterschied der Tonhöhen beruht auf den Vibra 
tionszahlen und deren Verhältnissen. Diese machen die Intervalle oder 
Tonleiter; die Coincidenz der Töne von verschiedenen Vibrationszahlen 
macht den Zusammenklang oder die Harmonie. Rhythmus und 
Harmonie sind die beiden Elemente, aus deren Verbindung die Me 
lodie hervorgeht, die in dem kunstgerechten Wechsel der Entzweiung 
und Versöhnung beider besteht. 
Auf der rhythmischen Tonfolge beruht die musikalische Architektur 
oder der Bau eines Tonwerks. Die einfachsten Elemente sind die Tacte 
‘ Parerga II. Cap. XIX. § 224-225. - 2 Ebendas. § 223. S. 464. 
25*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.