Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Stufenreich der Künste. 
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musikalische Wohlgefallen erklärt. Aber die akustischen Zahlen sind die 
mathematisch-physikalische Grundlage der Musik, nicht deren Thema. 
2. Die Analogie zwischen den Gebilden der Dinge und denen der Töne. 
Die Musik mit einer Sprache verglichen, — sie ist die einzige 
Sprache, die alle Welt versteht — so ist zur Erkenntniß derselben, 
wie zu der jeder Sprache, eine Grammatik und ein Lexikon nothwendig. 
Die Grammatik lehrt, wie man Worte und Sätze bildet; das Lexikon 
lehrt, was die Worte, bedeuten. Die Grammatik der Musik ist die Lehre 
von der Harmonie, welche der berühmte französische Componist Rameau 
begründet hat, aber das Lexikon der Musik ist erst ein Jahrhundert 
später gekommen. Das Verdienst, dieses begründet zu haben, nimmt 
Schopenhauer für sich allein in Anspruch: er ist der erste gewesen, der 
gelehrt hat, was die Musik bedeutet? 
Vergleichen wir die Art und Weise, wie das Wesen der Welt sich 
offenbart, mit dem Material der Künste, so ist keines so fähig, den Willen 
in der Stufenleiter seiner Objectivationen auszudrücken, wie die 
Tonleiter, die Abstufungen der Töne innerhalb der Octave, die 
Abstufungen der Octaven selbst. Zwischen der Stufenleiter der Welt 
und der Stufenleiter der Töne entdeckte sich dem Geiste Schopenhauers 
eine bedeutsame Analogie, die der Ausgangspunkt und leitende 
Grundgedanke seiner Musiklehre wurde, sie diente ihm auch zur Richt 
schnur seiner bedeutsamsten Vergleichungen. Wie oft haben wir schon 
gehört, daß er die Weltstufen, d. h. die Grade der Willenserscheinungen, 
mit den Graden und Abstufungen des Lichts, vorzugsweise aber mit 
denen der Töne verglichen hat: er nennt die niedrigsten Weltstufen 
die Grundbaßtöne der Natur, die Säülenordnung den Generalbaß der 
Architektur u. s. f. 
Die vier Hauptstufen der Welt sind die unorganische Natur und 
die organischen Reiche der Pflanzen, Thiere und Menschen: diesen 
entsprechen die vier Hauptstufen der Tonleiter, der tiefe Grundton, 
Terz, Quint, Octave, die vier Hanptstimmen der Harmonie: Baß, 
Tenor, Alt und Sopran. Aus der unorganischen Masse des Welt 
körpers entstehen allmählich und erheben sich die Reiche der organischen 
Körper bis empor zum Menschen; der Planet ist deren Träger und 
Quelle: so entstehen und erheben sich aus dem tiefen Grundtone die 
1 Parerga II. § 222. S. 463. 
Fischer. Gesch. d. Philos. IX. 2. Aull. N. A. 
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