Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Reich, des Schönen und der Kunst. 
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Hier aber geräth die Jdeenlehre Schopenhauers mit der Platonischen, 
die ihr zum Vorbilde gereicht, in einen Conflict, der drei wesentliche 
Punkte betrifft: die Tragweite der Ideen, den Ursprung der Kunst 
und deren Werth. 
1. Nach Schopenhauer giebt es Ideen nur der natürlichen, nicht 
auch der künstlichen Dinge, während Plato in seinem Parmenides, wie 
in dem zehnten seiner Bücher vom Staate lehrt, daß Ideen von allen 
Dingen, auch von den technischen, wie Bett, Tisch, Stuhlu.s.f. existiren. 
Er hat nach dem Zeugniß des Aristoteles diese Lehre später verneint 
und die Ideen nur von den natürlichen Dingen gelten lassen. Spätere 
Platoniker haben die Geltung der Ideen auf die natürlichen Gattungen 
und Arten beschränkt und in Abrede gestellt, daß es Ideen von den 
einzelnen Dingen, den technischen Werken, den Zuständen und Ver 
hältnissen der Dinge gebe. Was die Artefacta angeht, so läßt Schopen 
hauer die Idee nicht von ihrer Form, als welche zufälliger Art und 
von außen gemacht ist, sondern nur von dem Material gelten, woraus 
sie bestehen. 
2. Nach Schopenhauer ist das Thema und Vorbild der Kunst 
die Idee des Dinges, nach Plato dagegen das einzelne sinnliche Ding. 
Hieraus entsteht eine irrthümliche Ansicht von dem Wesen und Ursprünge 
der Kunst. Wo ist in dem Reiche der natürlichen Dinge das Vorbild 
der Architektur? Wo das Vorbild der Musik? Wenn die Kunst 
nichts anderes zu leisten hätte als die Nachbildung der einzelnen natür 
lichen Dinge, so würden in Ansehung des Menschen die Wachsfiguren 
weit bessere Abbilder sein, als die Statuen, Büsten und Porträts. 
3. Aus derselben Quelle stammt Platos falsche Ansicht von dem 
Werthe oder vielmehr Unwerthe der Kunst, seine Geringschätzung der 
Malerei und Poesie. Wenn seiner Lehre gemäß die einzelnen sinnlichen 
Dinge die Abbilder der Ideen und die Vorbilder der Kunst sind, so 
besteht das Wesen der letzteren darin, daß sie die Abbilder abbildet, 
die Nachahmungen nachahmt, die Schattenwesen verdunkelt und also, 
statt die Erkenntniß der Ideen zu erleichtern, uns noch weiter davon 
entfernt, als wir es in der Betrachtung der Sinnenwelt schon sind? 
2. Das Thema und die Aufgabe der Kunst. 
Nach Schopenhauer dagegen haben Kunst und Philosophie den 
selben Ursprung und dasselbe Ziel: ihr gemeinsamer Ursprung ist der 
1 Parerga und Paralipomena. Bd. I. §41. Vgl. ebendas. Bd. 11. §213.
	        
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