Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

* Ebendas. § 20-21. 
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Die Welt als Wille. 
lichen Leibern, diesen organischen Körpern, das gilt, gilt von allen 
organischen Körpern überhaupt, also auch von den Pflanzen. Was 
endlich von allen organischen Körpern gilt, muß auch von den un 
organischen gelten: also von allen Körpern ohne Ausnahme. Nur 
beachte man wohl, worin diese so weit sich erstreckende Analogie besteht 
und auf welchem Punkte sie ruht: sie betrifft lediglich die in dem 
Körper wirksame Kraft; alle Körper sind Krafterscheinungen, darum 
Willenserscheinungen. Hieraus erhellt die Realität der Außenwelt und 
damit der Satz: die Welt ist Wille? 
Nun wende man uns nicht ein, daß die ganze Sache auf einen 
Streit über oder um Worte hinauslaufe. Früher habe man gesagt: 
der Wille ist Kraft; jetzt soll es heißen: die Kraft ist Wille. Früher 
wurde der Wille dem Begriffe der Kraft subsumirt, jetzt umgekehrt die 
Kraft dem Begriffe des Willens. Früher galt die Kraft als das 
Genus und der Wille als Species; jetzt gilt der Wille als Genus 
und die Kraft oder die Kräfte als seine Species. Was sind wir 
gebessert? 
Die Antwort ist so leicht, wie überzeugend. Die Naturkrafte, 
wie sie auch heißen, sind x, y, z, lauter unbekannte Größen, lauter 
^ualttutos ooeuttutz; dagegen der Wille ist unserem Selbstbewußtsein 
unmittelbar einleuchtend und in der allerintimsten Weise bekannt: er 
ist unser eigenstes, innerstes Wesen, wir sind es selbst. An die Stelle 
der unbekannten Größen tritt die bekannte; die Aufgabe der Gleichung 
ist gelöst: darin besteht der nicht groß genug zu schätzende Unterschied 
zwischen der früheren Auffassung und der gegenwärtigen. 
Freilich ist etwas anderes der als blinde und erkenntnißlose Natur 
kraft in Stoß und Fall, in den magnetischen und elektrischen Thätig 
keiten, in den chemischen Wahlverwandtschaften, in der Krystallisation 
und Vegetation wirksame Wille, etwas anderes der von der Wahrnehmung, 
Anschauung und Erkenntniß begleitete und geleitete Wille. Indessen 
trifft dieser Unterschied nur die Erscheinungsarten des Willens, nicht 
ihn selbst, nur die Gradationen seiner Erscheinung, nicht sein Wesen, 
nur die Tiefe und Höhe, d. h. die Stufenleiter seiner Objectivirungen, 
nicht seinen davon freien und unabhängigen Grundcharakter. In der 
Stufenleiterder Willenserscheinungen besteht „die Welt als Objectivation 
des Willens".
	        
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