Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Erstes Capitel. 
Propädeutik. Der Satz vom zureichende» Grunde. 
I. Die Wurzel des Satzes vom Grunde. 
1. Das Vorstellungsvermögen. 
Schopenhauer hat wiederholt erklärt, daß die Abhandlung über 
die vierfache Wurzel des Satzes vom Grunde den Unterbau seines 
Systems enthalte, und daß, um seine Lehre wirklich kennen zu lernen, 
alle seine Schriften gelesen werden sollen, diese aber zuerst: sie dient 
daher in der didaktischen Ordnung und Darstellung der Lehre sowohl 
zur Begründung als auch zur Einleitung und erfüllt demgemäß die 
Zwecke einer Propädeutik. 
Um das kantische Räthsel, die Frage nach dem Dinge an sich, 
welches allen Erscheinungen zu Grunde liege, aufzulösen oder zunächst 
nur den einzig möglichen Weg nach diesem Ziele zu finden, müssen 
wir uns über die Bedeutung, die Herkunft und die Arten des Satzes 
vom zureichenden Grunde orientiren; wir dürfen denselben nicht verviel 
fältigen, aber auch nicht einfacher nehmen, als er ist, wohl eingedenk, 
daß die Principien weder unnöthig zu vermehren noch unbesonnen zu 
vermindern sind. So lehrt „der erstaunliche Kant" in seiner Vernunft 
kritik, wo er die Gesetze der Homogeneität und der Specification auf 
stellt; eben dasselbe lehrt „der göttliche Plato" in seinem Phädrus und 
Philebus, wo er von der Eintheilung der Begriffe handelt? 
Alle Erscheinungen sind unsere Vorstellungen und als solche durch 
unser Vorstellungsvermögen bedingt oder begründet. Object sein heißt 
vorgestellt und begründet sein. Der Satz vom Grunde haftet demnach 
an unserem Dorstellungsvermögen und fällt mit dessen Beschaffenheit 
und Thätigkeit zusammen. Unser Vorstellungsvermögen ist die Wurzel 
des Satzes vom Grunde: so vielfältig jenes, so vielfältig dieser. Nun 
ist das Vorstellungsvermögen, wie sich zeigen wird, vierfach: daher 
1 Ueber die vierfache Wurzel u. s. w. Cap. I. § 1. 
Fischer, Gesch, d. Philos. IX. 2. Stuft. N. A. 
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