Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Schopenhauers Charakter. 
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Stellen trotz den Warnungen des Katers nicht bloß den Affen, 
sondern auch dem Arthur Schopenhauer in die Augen gestochen haben? 
Die Stelle, wo sie für diesen am meisten glänzte, war der Ruhm, 
Das Streben nach Anerkennung der Menschen eingeräumt, so hätte 
man meinen sollen, daß ein solcher Menschenverächter auch ein Kost 
verächter, ein Feinschmecker sein und nur das auserlesenste Lob sich 
aneignen würde. Er war es mit Nichten. Wenn er seinen Jnstincten 
gemäß handelte, was im gewöhnlichen Laufe des Lebens natürlich stets 
geschah, so war er auch hier allen Scheinwerthen zugänglich: er liebte 
auch den Scheinruhm, die Schmeichelei, das Lob selbst elender Scribler. 
Ein Ausdruck der Bewunderung seines Genies konnte ihn für vieles 
entschädigen. Er wurde blind für die Schwächen seiner Bewunderer 
und dienstwilligen Werkzeuge. Nur dursten diese dem Meister gegen 
über nicht auch die Kritiker spielen wollen, was dem Frauenstädt mit 
unter einfiel; dann wurde ihnen heimgeleuchtet. Es gab in der Welt 
eigentlich nur einen Gegenstand, der unserem Pessimisten heilig war: 
seine Werke. „Meinen Fluch über jeden, der etwas daran wissentlich 
ändert, sei es eine Periode oder auch nur ein Wort, eine Silbe, ein 
Buchstabe, ein Interpunktionszeichen!" Alle Ausdrücke der Bewunde 
rung konnten ein verstümmeltes Citat nicht aufwiegen. „Beschneiden 
Sie Ducaten und Louisdore, nicht meine Sätze", herrschte er seinen 
„Urevangelisten" an, der allerdings die Sprache des Meisters nicht 
nach Gebühr zu würdigen verstand. 
Wenn man den Philosophen in seinen Schriften hört, so tritt 
uns in ihm der heftigste Gegner alles Monotheismus und Theismus 
entgegen: er haßt die Religion des Alten Testaments wie die des Koran, 
er ist in dieser Rücksicht der ausgesprochenste Antisemit. Aber diese 
grundsätzlichen Antipathien verschwinden, sobald seinem Genie ge 
huldigt wird. Zwei seiner Apostel und Erben sind Juden: Frauen 
städt und Asher. jener getauft, dieser ungetanst und dem jüdischen 
Glauben ergeben. Ist es nicht wunderlich, daß der Mann, an den 
Schopenhauer mehr als den vierten Theil aller seiner Briefe geschrieben 
hat, sein „Urapostel", seine „Posaune", sein litterarischer Erbe, der 
Herausgeber seiner Werke und seines Nachlasses, der „Erzevangelist" 
dieses abendländischen Buddha, ein polnischer Jude war? 
Wir wissen, wie gründlich zuwider die Hegelianer, die Deutsch 
katholiken, die Universitätslehrer, die abgesetzten und die nicht abge 
setzten, ihm gewesen sind. Unter seinen Aposteln und Erben ist ein
	        
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