Volltext: Die Schweiz im Weltkrieg [61]

einzelnen Kantonen anstrebt, weil sie hier dadurch eine Minder¬ 
heitsvertretung bekäme, die sie nach der üblichen Majoritäts¬ 
methode niemals erreichen würde. Die herrschende und verant¬ 
wortliche politische Gruppe ist die freisinnige, sogenannte radikale 
Partei; von etwa 190 Sesseln im Nationalrat besetzt sie allein 112. 
Von der eidgenössischen Armee spricht die öffentliche Meinung 
jener Nationen, die Interesse an einer objektiven Betrachtung 
haben, mit Ernst, und die es aus gewissen Gründen nicht haben, 
beweisen doch den Ernst durch die Achtung vor ihrer militärischen 
Schlagkraft. Was eine kleine Armee in gutem Gelände vermag, 
zeigt gerade gegenwärtig der österreichische Alpenkrieg. Von der 
taktischen Brauchbarkeit der schweizerischen Einheiten gab der eid¬ 
genössische Aufmarsch an den Grenzen überzeugende Beispiele. 
Lier stößt man auch gleich auf den einzigen Vorteil, den die 
Schweiz vom europäischen Krieg hat. In der nun zwölfmonatigen 
taktischen Zucht und Praktik ist aus der eidgenössischen Miliz 
reguläres Militär geworden, und die erzieherischen Wirkungen 
dieser Lehrzeit werden noch lange in Ton und Laltung des eid¬ 
genössischen Soldaten zu spüren sein. Es ist etwas wie neu¬ 
militärische Tradition geschaffen. Gewisse Dinge sind ausgiebig 
bekanntgemacht und geübt, die sonst nur theoretisch demonstriert 
werden konnten. Auch der materielle Grenzschutz ist durch die 
Anlage von Feldbefestigungen und anderen längst nötigen prin¬ 
zipiellen Vorkehrungen gründlich verstärkt. Da es sich beim 
schweizerischen Soldaten von Lause aus um ein kriegerisch sehr 
brauchbares Material handelt, so darf man den möglichen Even¬ 
tualitäten ruhig entgegensehen. 
Ein anderes Kapitel ist freilich die Kostenrechnung, die der 
Bund dem Volk für diesen Vorzug vorlegen muß; wenn der 
Krieg die Dauer haben wird, die ihm die mäßigen Pessimisten 
prophezeien, so wird man sich auf eine Milliarde gefaßt machen 
müssen. Es handelt sich dann um die Frage, ob die nationale 
Wiedergeburt aus der Zeiterschütterung, die physische Auffrischung 
der schweizerischen Mannschaft und die angelegten militärischen 
Sicherungen die Ausgabe aufwiegen; das wird die einzige Mög¬ 
lichkeit sein, zu verhüten, daß ein lebendiges Opfer zu einer toten 
Buchung wird. 
Im Gegensatz zu Deutschland, das seine Anleihen im Lande 
emittiert, nahm die Schweiz fremdes Geld auf; die Frage, warum 
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