Volltext: Die Ziele unserer Weltpolitik [64]

II. 
Ein Staat kann sich in zweierlei Weise in der 
Welt betätigen: mit oder ohne staatlichen Besitz, in 
eigenen Kolonien oder in fremden Staatsgebieten, 
die sich seiner wirtschaftlichen, geistigen und politi¬ 
schen Betätigung öffnen. Man hat diese letztere Be¬ 
tätigung als die Politik der offenen Tür bezeichnet. Wenn es 
die erste Frage ist, ob ein Staat überhaupt Weltmacht anstreben 
soll und kann, so schließt sich daran in jedem einzelnen Fall die 
Frage, ob er es durch den Erwerb von Kolonien oder mit einer 
Politik der offenen Türe tun soll. 
Während der ersten Jahrhunderte nach den großen Ent¬ 
deckungen, die zur Ausbreitung der Europäer über die ganze Erde 
und damit zu einer Weltpolitik im heutigen Sinne des Wortes 
geführt haben, sehen wir staatliche Besitznahme der überseeischen 
Länder und wirtschaftliche Erschließung durch Lande! von einzelnen 
Stützpunkten, sogenannten Faktoreien, aus nebeneinander her¬ 
gehen. Aber seit dem 18. Jahrhundert erfolgt doch auch von 
diesen Faktoreien aus, namentlich in Indien, die Gründung von 
Kolonialreichen. Es sind die Zeiten der großen Kämpfe, in denen 
sich zuerst das französische, holländische und englische Kolonial¬ 
reich neben und auf Kosten des spanischen und portugiesischen 
entwickeln und dann das englische die beiden anderen niederkämpft 
und eine Art Monopolstellung erringt. Aber gerade im Zu¬ 
sammenhang damit vollzieht sich eine Änderung in der Wertung 
des Kolonialbesitzes, auf die auch der Abfall der Vereinigten 
Staaten eingewirkt hat. 
Bei der wirtschaftlichen Übermacht, die England durch die 
Beherrschung der Seewege und seinen großen Vorsprung in der 
Industrie besaß, erschien der Manchesterschule Kolonialbesitz nicht 
mehr nötig, ja in mancher Beziehung gefährlich. And diese theoretische 
Ansicht, die für das damalige England nicht ohne Berechtigung 
war, also relative Geltung hatte, wurde von den kontinentalen 
Freihändlern fälschlicherweise als absolut gültig betrachtet und auch 
auf die Betätigung der kontinentalen Staaten angewandt. 
Dieser Irrtum mußte überwunden werden und die entgegen¬ 
gesetzte Lehre, die bei uns zuerst Friedrich List verkündet hatte, 
Geltung gewinnen. 
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