Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
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Sinne mußte sich Lichnowsky zu Sir Edward Qrey aussprechen 1 !. 
Qrey betonte bei diesem Gespräch die friedlichen Absichten der russi 
schen Regierung und auch der Franzosen, zugleich aber auch, daß 
das englische Verhältnis zu Frankreich und Rußland nach wie vor 
ein sehr intimes sei, und daß es nichts von seiner früheren Festigkeit 
eingebüßt habe; über alle wichtigen Fragen stehe er mit den be 
treffenden Regierungen in dauernder Fühlungnahme 1 2 . Als Fürst 
Lichnowsky auf Grund weiterer ihm in Berlin gemachter Mittei 
lungen am 6. Juli 1914 Sir Edward Grey nochmals aufsuchen und mit 
ihm über das Gerücht einer englisch-russischen Flottenverständi 
gung sprechen mußte, war Grey offenbar etwas betroffen. Am 
9. Juli bat er den Botschafter nochmals zu sich und stellte eine 
Fühlungnahme der Marinen für den Fall eines gemeinsamen Krie 
ges nicht direkt in Abrede. Wenn auch keine Abmachungen zwi 
schen Großbritannien einerseits, Frankreich und Rußland anderer 
seits bestünden, die irgendwelche Verpflichtungen auferlegten, so 
hätten doch von Zeit zu Zeit Unterhaltungen zwischen den beider 
seitigen Marine- und Militärbehörden stattgefunden und zwar zuerst 
schon im Jahre 1906, sodann bei der Marokkokrisis des Jahres 1911 3 . 
Nach dem Morde von Sarajevo führte die große Beunruhigung 
der deutschen Regierung über die maritimen Geheimabmachungen 
zwischen England und Rußland den Staatssekretär v. Jagow dazu, 
sich am 15. Juli mit der Bitte an den in Bad Kissingen weilenden 
Generaldirektor der Hapag Ballin zu wenden, auf Grund seiner Be 
ziehungen zu maßgebenden Engländern einen Warnruf über den 
Kanal ergehen zu lassen. Ballin reiste nach England und sprach am 
23. Juli mit Grey und Haldane, wobei Grey erklärte, eine Flotten 
konvention bestehe nicht, und es liege auch nicht in Englands Ab 
sicht, in eine solche zu willigen 4 . 
Der Mord von Sarajevo und die Entwicklung zum Welt 
kriege 
Am 28. Juni 1914, an einem herrlichen Sommersonntage, durch 
eilte nachmittags die Nachricht die Welt, daß der Erzherzog-Thron 
folger Franz Ferdinand und seine Gemahlin in Sarajevo einem Mord- 
anschlage zum Opfer gefallen seien. Kaiser Wilhelm II. weilte damals 
vor der beabsichtigten Ausfahrt zu seiner Nordlandreise in Kiel, 
brach die Festlichkeiten der Kieler Woche sofort ab und kehrte nach 
Berlin zurück. Ganz allgemein wurde damals angenommen, daß die 
Fäden der Verschwörung, der der Erzherzog erlegen war, in Belgrad 
1 Gr. Pol. Nr. 15 883. 
2 Gr. Pol. Nr. 15 884. 
3 Gr. Pol. Nr. 15 886, 15 887. Vgl. hierzu „British Documents on the Origins of 
the War 1898—1914“, Bd. III (The Testing of the Entente). London 1928. 
4 Gr. Pol. Nr. 15 889. (Letztes Dokument der großen Aktenpublikation.)
	        
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