Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Das Jahr 1912 
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wurde alles aufgeboten, um die Zusammenkunft von Baltischport in 
den Schatten zu stellen. Schon vorher hatte Graf Pourtales von 
Sasonow zu erfahren gesucht, ob tatsächlich eine russisch-französi 
sche Marinekonvention in Paris abgeschlossen worden sei. Sasonow 
versicherte auf das Bestimmteste, es habe sich nur um die Verab 
redung gehandelt, nach der die beiden Admiralstabschefs in ge 
wissen Zeitabständen zu Besprechungen Zusammenkommen sollten. 
Diese Behauptung Sasonows entsprach, wie wir aus den inzwischen 
veröffentlichten russischen Dokumenten wissen, nicht der Wahrheit 1 : 
es war tatsächlich eine Marinekonvention zustande gekommen, die 
nun in Form eines Briefwechsels amtlich ebenso bestätigt wurde, wie 
es mit dem Militärabkommen von 1892 der Fall gewesen war. 
Poincares Persönlichkeit hatte auf Sasonow einen großen Eindruck 
gemacht, und man hatte sich über die demnächstige Abberufung des 
Botschafters Louis von Petersburg geeinigt, auf die Iswolski schon 
seit einiger Zeit hinzuwirken suchte, da ihm Louis eine zu gemäßigte 
Richtung vertrat. 
Wie weitgehend man sich im Lager der Entente damals schon 
über das militärische Verhalten im Falle eines Krieges gegen 
Deutschland geeinigt hatte, haben wir erst aus dem Briefwechsel 
zwischen Sir E. Grey und dem französischen Botschafter in London 
Paul Cambon vom 22. bzw. 23. November 1912 erfahren. Darin war 
für den Fall, daß eine der beiden Regierungen ernste Gründe 
hätte, einen unprovozierten Angriff seitens einer dritten Macht zu er 
warten, eine sofortige gemeinsame Beratung und Nachprüfung der 
Pläne der Generalstäbe vorgesehen 1 2 . Im September 1912 waren die 
beiden französischen Geschwader des Atlantischen Ozeans nach 
Toulon verlegt worden, worauf Sir E. Grey in seinem Schreiben 
vom 22. November mit dem Hinweise Bezug nahm, daß die gegen 
wärtige Verteilung der französischen und britischen Flotten nicht 
auf einer Verpflichtung zum Zusammenwirken im Kriegsfälle beruhe, 
daß ferner auch die Besprechungen zwischen den Marine- und Mili 
tärsachverständigen die Regierungen nicht bänden. Eine gewisse 
Freiheit des Handelns hatten sich die Mächte also Vorbehalten, 
woran besonders England gelegen war. 
Der Erste Balkankrieg 
Seit Jahrzehnten hatten die Mächte die endgültige Lösung der 
türkischen Frage hinauszuschieben, die immer wieder entstehenden 
Schwierigkeiten von Fall zu Fall durch Konferenzen und andere 
1 Gr. Pol. Nr. 11590. Vgl. Sasonows Bericht an den Zaren vom 4./17. August 
1912 (Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914. Herausgegeben 
von Friedrich Stieve, Band 2, S.219ff.). 
2 Gr. Pol. Nr. 11 595.
	        
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