Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Das Marokko- und Kongo-Abkommen 1911 
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lasse, man übersehe offenbar in Deutschland, daß England gezwun 
gen sei, in der Marokkoangelegenheit „unter gewissen Verpflich 
tungen Frankreich gegenüber“ zu handeln. Jedenfalls konnte nach 
den Vorgängen von 1911 ein Zweifel an der starken Bindung Eng 
lands an Frankreich deutscherseits kaum noch bestehen, wenn es 
auch vielleicht zu weit ging, wie Major Ostertag es in einem Be 
richte vom 17. Januar 1912 tat 1 , von dem „Bestehen einer Art 
Schutz- und Trutzbündnisses zwischen England und Frankreich“ zu 
sprechen. Beide Länder hatten jedenfalls zu erkennen gegeben, daß 
sie im Kriegsfälle gemeinsame Sache gegen Deutschland machen 
würden. 
Der italienisch-türkische Krieg 
Seit langen Jahren hatte Italien auf den Erwerb von Tripolis 
hingearbeitet und die Mächte dafür zu gewinnen gesucht. Frank 
reichs Vorgehen in Marokko löste in Italien die Besorgnis aus, daß 
man vielleicht in Tripolis zu spät kommen würde. So entschloß man 
sich in Rom, die Marokkokrisis zum Vorgehen zu benutzen. Man sah 
dort die italienischen Ansprüche auf Tripolis als durch die Dreibund 
bestimmungen und die Abmachungen mit Frankreich und England 
gewissermaßen garantiert an. Italien verständigte daher England 
am 26. Juli, Rußland am 26. August amtlich davon, daß es entschie 
dene Maßregeln zu ergreifen beabsichtige, um die normale Ord 
nung in Tripolis herzustellen 1 2 . Die Dreibundmächte wurden nicht 
vorher unterrichtet. 
Um die Mitte des Monats September wurden italienische Kriegs 
vorbereitungen sichtbar. Die deutsche Regierung tat alles, was in 
ihren Kräften stand, um Italien von Unbesonnenheiten abzuhalten, 
und ließ am Goldenen Horn auf ein möglichst entgegenkommendes 
Verhalten der Türkei gegenüber den italienischen Wünschen hin 
wirken. 
Ende September wurde es klar, daß eine kriegerische Aktion 
Italiens unmittelbar bevorstand. Am 28. September ließ Italien in 
Konstantinopel ein Ultimatum überreichen. Eine türkische Antwort 
vom 29. September lehnte die italienische Okkupation von Tripolis 
ab, worauf Italien mit der Kriegserklärung antwortete. 
Angesichts der für Deutschland entstandenen schwierigen Lage 
hielt Kaiser Wilhelm II., der damals in Rominten weilte, eine Ver 
ständigung mit Frankreich für geboten. Kiderlen wurde telegraphisch 
angewiesen 3 , nach Abschluß des Marokkoabkommens Vorschläge 
für eine Entente mit Frankreich zu machen, wonach beide Mächte im 
1 Gr. Pol. Nr. 10 672. 
s Gr. Pol. Nr. 10821. 
3 28. September 1911. Gr. Pol. Nr. 10 843.
	        
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