Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
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An einer Verständigung Englands mit Rußland war englischer- 
seits schon seit Ende 1905 gearbeitet worden. Rußland zeigte an 
fangs eine gewisse Zurückhaltung, vom Herbst 1906 an aber steu 
erte das russische Außenministerium mehr und mehr in das eng 
lische Fahrwasser. „Nette Aussichten!“, vermerkte der Kaiser zu 
einem Berichte des Geschäftsträgers v. Miquel aus Petersburg vom 
19. September 1906 1 . „Man kann also in Zukunft mit der Alliance 
franco-russe, Entente cordiale franco-anglaise und Entente anglo- 
russe rechnen, mit Spanien, Italien, Portugal als Anhängsel dazu im 
zweiten Treffen!“ Die Verhandlungen schritten aber nur langsam 
vorwärts, da Iswolski zeitweilig die in Ausführung des Friedens 
vertrages von Portsmouth notwendig werdenden Verhandlungen mit 
Japan als Hindernis für die Weiterführung der mit England in 
Angriff genommenen Fragen vorschob. Deutschland hat nichts ge 
tan, um dem Ausgleiche entgegenzuwirken, auch nicht anläßlich der 
Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland und Rußland in Swine 
münde vom 3.—6. August 1907. Iswolski wurde bei dieser Gelegen 
heit vom deutschen Kaiser sehr zuvorkommend behandelt. Hinsicht 
lich des bevorstehenden Abkommens mit England sagte Iswolski 
nur, daß es sich lediglich auf Tibet, Afghanistan und Persien be 
ziehen werde 1 2 . 
Die englisch-russische Vereinbarung über Ostasien 
erfolgte am 31. August. Beide Länder einigten sich über ihre Inter 
essengebiete, wobei Persien hauptsächlich für Rußland, Afghanistan für 
England bestimmt, Tibet aber von beiden Mächten als Teil des chine 
sischen Reiches anerkannt wurde. Fürst Bülow ließ daraufhin sofort 
der deutschen Presse den Wunsch mitteilen, das Abkommen ruhig 
und sachlich zu besprechen und es nicht etwa zu einer englisch 
russischen Allianz aufzubauschen oder ohne Not als Verletzung 
deutscher Interessen hinzustellen 3 . Nach dem Urteil des Geschäfts 
trägers v. Miquel 4 lag die Bedeutung des neuen Abkommens nicht 
so sehr in Asien, sondern vielmehr in Europa, wo sich seine Folgen 
auf längere Zeit hinaus bemerkbar machen dürften. „Dieser Zweck 
dürfte England vor allem den dringenden Wunsch nach einer freund 
schaftlichen Abrechnung nahegelegt haben. Der englische Einfluß 
muß in Europa steigen, nachdem die Reibungsflächen mit Ruß 
land beseitigt sind.“ Diesem Urteil stimmte der Kaiser durchaus 
bei und äußerte die Befürchtung, daß England uns in Europa nun 
noch unangenehmer werden würde als bisher. 
Eine unmittelbare Auswirkung des Abkommens schien im Ok 
tober 1907 die Reise des englischen Generalissimus Sir John French 
1 Or. Pol. Nr. 8518. 
2 Gr. Pol. Nr. 7378. 
3 Gr. Pol. Nr. 8534. 
4 Petersburg, 25. September 1907. Gr. Pol. Nr. 8536.
	        
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