Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Verhandlungen vor der Marokko-Konferenz 
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Die deutsch-französischen Verhandlungen vor der 
Marokko-Konferenz 
Nachdem Frankreich die Marokkokonferenz angenommen hatte, 
war Deutschland bereit, sich mit ihm über deren Programm und 
Ziele zu verständigen. In Bülows Beurteilung der gesamten Marokko 
aktion trat in Verbindung mit den soeben geschilderten Vorgängen 
von Björkoe jetzt ein bemerkenswerter Umschwung ein. „Wir 
müssen“, telegraphierte er am 31. Juli 1905 an das Auswärtige Amt, 
„uns die Möglichkeit reservieren, Frankreich in dem Augenblick, wo 
dieses sich wegen seines Anschlusses an die deutsch-russische Ver 
ständigung zu entscheiden hat, auch freie Hand in Marokko ge 
währen zu können. Eine bessere Verwendung könnte Marokko für 
uns nicht finden, und das wäre der weitaus günstigste Abschluß 
unserer Marokkokampagne. Um dies zu erreichen, dürfen wir un 
seren prinzipiellen und allgemeinen Standpunkt in der Marokkofrage 
nicht vorzeitig preisgeben. Die Franzosen dürfen aber auch nicht 
glauben, daß unsere letzten Absichten dahin gingen, in Marokko 
selbst endgültig Fuß zu fassen. Es erscheint mir ratsamer, die Ma 
rokkofrage bis auf weiteres versumpfen zu lassen, als sie zu brüs 
kieren. Schiebereien oder Drohungen wegen Marokkos in diesem 
Augenblick würden Frankreich nur noch enger an England heran 
drängen und gleichzeitig Kaiser Nikolaus in die Meinung versetzen, 
daß er unmittelbar nach Björkoe gezwungen werden solle, zwi 
schen uns und Frankreich zu optieren 1 .“ In diesem Sinne wurde 
Fürst Radolin verständigt. 
Wenn nach diesen Äußerungen Bülow die deutsche Marokko 
aktion eigentlich nur noch als ein taktisches Mittel ansah, so er 
gaben sich doch bei den anschließenden Erörterungen, die von an 
fangs September 1905 an hauptsächlich durch den nach Paris ent 
sandten, für Tanger bestimmten Gesandten Dr. Rosen geführt wur 
den, mancherlei Schwierigkeiten. Dr. Rosen begegnete in Paris über- 
all dem Ausdruck des Wunsches nach einem guten Einvernehmen 
mit Deutschland. Den Höhepunkt der Verhandlungen in Paris bildete 
der 22. September, an dem der russische Minister v. Witte auf seiner 
Rückkehr von den Friedensverhandlungen in Portsmouth und vor 
seiner bereits geschilderten Anwesenheit in Rominten 2 in Paris zu 
nächst mit dem Fürsten Radolin und Dr. Rosen, nachher mit Rouvier 
verhandelte. Nach Wittes Auffassung konnte, wenn eine Verständi 
gung damals nicht zustande kam, nur England der Nutznießer sein. 
Fürst Radolin wünschte den Eindruck zu vermeiden, als wenn 
Deutschland sich ohne die Vermittlung Wittes mit Frankreich nicht 
hätte einigen können; er ließ daher am 24. September die Pariser * 8 
1 Gr. Pol. Nr. 6782. 
8 Siehe o. S. 236.
	        
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