Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
216 
Ansicht, der Bülow in einer Randbemerkung zu einem Berichte des 
Grafen Monts vom 21. Mai 1904 1 Ausdruck gab, ist zutreffend, denn 
tatsächlich stand Deutschland schon damals inmitten der Großmächte 
allein, einzig gestützt auf Österreich-Ungarn und ohne noch einen 
wertvollen Anschluß nach irgendeiner Seite hin finden zu können. 
Für die deutsche Politik gegenüber Italien führte diese Erwägung 
dazu, daß man Italien bei seinen tripolitanischen Wünschen möglichst 
gewähren lassen wollte, solange es nur seine Aufmerksamkeit und 
Rührigkeit nicht auf die Adria richtete 1 2 . Italienischerseits setzten sich 
die leitenden Persönlichkeiten damals stark dafür ein, eine Begeg 
nung Kaiser Wilhelms II. mit dem Präsidenten Loubet in den italie 
nischen Gewässern zustande zu bringen, da nach ihrer Ansicht ohne 
ein besseres Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich die 
kontinentalen Dinge nie zur Ruhe kommen konnten 3 . Der Kaiser 
war zu der Begegnung durchaus bereit, die aber nicht zustande 
kam, da man eine Verstimmung des Königs Viktor Emanuel daraus 
befürchtete 4 . 
Der russisch-japanische Krieg 
Der russisch-japanische Krieg bildete für Deutschland die erste 
ernstliche Probe auf seine im letzten Jahrzehnt geübte Politik der 
freien Hand. Man hatte die Zuspitzung der Beziehungen zwischen 
Rußland und Japan schon seit März 1902 sorgenvoll betrachtet und 
war entschlossen, im Falle eines japanischen Krieges um Korea 
strenge Neutralität zu üben 5 . Im Herbst 1903 rechnete man in den 
europäischen Kanzleien schon ziemlich sicher damit, daß die Japaner 
den Krieg mit Rußland schon in Rücksicht auf ihr Bündnis mit Eng 
land bald beginnen würden, um Rußland in Ostasien nicht zu stark 
werden zu lassen 6 . Deutschland ließ Japan wissen, daß geheime, auf 
Ostasien anwendbare Verträge oder Klauseln deutscherseits nicht 
vorhanden seien 7 . 
Für Rußland war es ein Hauptgegenstand der Besorgnis, ob bei 
einer ostasiatischen Verwicklung sein Zweibundgenosse den Bünd 
nisfall als gegeben ansehen würde. Die Franzosen vertraten aber den 
Standpunkt, das Bündnis habe nur auf Europa Bezug, und gaben sich 
außerdem den Anschein, nicht an die Möglichkeit des Krieges zu 
glauben. 
Kaiser Wilhelm hielt den Krieg für sicher und war besorgt, ob 
Rußland seiner Aufgabe gewachsen sein würde, „den Schutz und die 
1 Gr. Pol. Nr. 6419. 
2 Gr. Pol. Nr. 6420. 
3 Gr. Pol. Nr. 6442. 
4 Gr. Pol. Nr. 6440. 
5 Gr. Pol. Nr. 5920. 
6 Gr. Pol. Nr. 5925. 
7 Gr. Pol. Nr. 5928.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.