Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Das Jahr 1903 
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Das Jahr 1903 
Schon seit März 1902 verfolgte man in der Wilhelmstraße sor 
genvoll die Zuspitzung der Beziehungen zwischen Rußland und 
Japan. Man war entschlossen, im Falle eines japanischen Krieges um 
Korea beiden Mächten gegenüber neutral zu bleiben, um den Kampf, 
falls er unvermeidlich war, auf seinen Herd zu beschränken. So hatte 
denn auch Kaiser Wilhelm II. bei seiner Zusammenkunft mit dem 
Zaren in Reval vom 6.—8. August 1 dem Zaren keinerlei bindende 
Versprechungen für den Fall eines ostasiatischen Krieges gemacht. 
Im Frühjahr 1903 nahm die ostasiatische Frage dadurch einen 
bedrohlichen Charakter an, daß Rußland trotz seiner im Vertrage 
mit China vom 8. April 1902 eingegangenen Verpflichtungen die 
damals zugesagte Räumung der Mandschurei binnen Jahresfrist hin 
auszuzögern anfing. Hieraus konnte sich ein Konflikt mit Japan er 
geben. So rechnete man denn schon im Herbst 1903 in den europäi 
schen Kanzleien mit ziemlicher Sicherheit damit, daß die Japaner den 
Krieg mit Rußland schon in Rücksicht auf die englische Allianz, 
vor allem aber deshalb bald beginnen würden, weil die russische 
Stellung in Ostasien täglich an Stärke gewann 1 2 . 
Im Frühjahr 1903 wurde die Gefahr eines englischen An 
schlusses an den russisch-französischen Zweibund beunruhigend 
erkennbar. Der damals aus seiner Stellung als erster Sekretär 
bei der Botschaft in London ausgeschiedene Frhr. v. Eckard- 
stein berichtete am 10. Mai 1903 3 über seinen bestimmten Eindruck, 
daß zwischen der englischen und der französischen Regierung er 
neute Verhandlungen über den endgültigen Ausgleich sämtlicher 
zwischen beiden Ländern schwebender Fragen im Gange seien. Man 
wolle die sogenannten kleinen französisch-englischen Kolonialfragen 
— Hebriden, Madagaskar, Sansibar, Westafrika — regeln und auch 
zu einer provisorischen Einigung über Marokko zu gelangen suchen. 
Eckardsteins Ansichten veranlaßten den Reichskanzler, seinen 
Bericht den deutschen Vertretern in Petersburg, Paris und London 
mit der Bitte um Meinungsäußerung mitzuteilen. Die daraufhin er 
statteten Berichte bildeten sodann die Grundlage einer vom Reichs 
kanzler für Kaiser Wilhelm II. bestimmten Niederschrift vom 
20. Mai 4 . Darin betonte Bülow, daß Eckardstein mit seinem Urteil 
bisher allein stehe, und daß sich eine Verständigung zwischen Ruß 
land und England noch schwerer erreichen lassen werde als zwi 
schen Frankreich und England. Auch nach der Auffassung des da 
1 Siehe o. S. 202. 
2 Or. Pol. Nr. 5920—5925. 
3 Gr. Pol. Nr. 5369. 
* Gr. Pol. Nr. 5375.
	        
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