Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Der Neue Kurs. 1890—1901 
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Staatssekretär Frhr. v. Marschall hielt eine Annäherung Deutsch 
lands an die franko-russische Gruppe aus diesem Anlaß nicht für 
nötig, da sie nur Deutschlands Stellung gegenüber dem Zweibunde 
vermindern, den Dreibund aber gefährden werde. Da auch Bot 
schafter Graf Hatzfeldt sich scharf gegen die Gedankengänge des 
Kaisers aussprach, gelang es, ihn von weiterer Verfolgung seines 
Planes abzubringen. Sein Verhalten während des Frühjahrs 1897 be 
wies, daß ihm in der Hauptsache an einer deutsch-englischen Ent 
spannung gelegen war 1 . So trat er denn auch den Vorschlägen des 
Botschafters Grafen Hatzfeldt hinsichtlich einer unmittelbaren Ver 
ständigung mit England über die Transvaalfrage gern bei. 
Am 30. Juli 1897 kündigte England den deutsch-englischen 
Handelsvertrag vom 30. Mai 1865, regte aber zugleich den Abschluß 
eines neuen Meistbegünstigungsvertrages an. Kaiser Wilhelm war 
über die plötzliche Kündigung sehr erregt und erblickte darin Eng 
lands Wunsch, die deutsche Industrie zu vernichten 1 2 . „Hätten wir 
eine starke, achtunggebietende Flotte gehabt, wäre Kündigung nicht 
erfolgt,“ telegraphierte er am 1. August 1897 an den Fürsten Hohen 
lohe; „als Antwort muß eine schleunige bedeutende Vermehrung 
unserer Neubauten ins Auge gefaßt werden 3 .“ Der Kanzler suchte 
den Monarchen zu beruhigen, indem er darauf hinwies, daß das 
gleichzeitig erfolgte Angebot eines mit England abzuschließenden 
Meistbegünstigungsvertrages auf ein bevorstehendes befriedigendes 
Verständnis mit England hindeute. Auch Hohenlohe hielt eine Ver 
mehrung der deutschen Flotte zum Schutze des deutschen Handels 
für erwünscht und unter gewissen Voraussetzungen für erreichbar. 
Die Erwerbung Kiautschous 1897 
Schon im Februar 1895 hatte man deutscherseits Erwägungen 
über einen etwaigen Besitzerwerb in Ostasien angestellt. Deutsche 
Wünsche nach Erwerb einer oder mehrerer Kohlen- und Flotten 
stationen in China waren für die Beteiligung Deutschlands an dem 
„ostasiatischen Dreibunde“ mitbestimmend gewesen. Vizeadmiral 
Hollmann hatte in einem Berichte vom 17. April 1895 4 bereits auf 
Kiautschou, wenn auch nicht in erster Linie, hingewiesen. 
Allmählich trat in den weiteren Verhandlungen die Kiautschou- 
bucht in den Vordergrund. Admiral v. Knorr erhielt am 30. Novem 
ber 1896 den Auftrag 5 , einen Plan zur Besitzergreifung der Kiaut- 
schoubucht und die Bereitstellung der Mittel vorzubereiten. Die Fest- 
1 Gr. Pol. Nr. 3403—3405. 
2 Gr. Pol. Nr. 3411—3413. 
8 Gr. Pol. Nr. 3414. 
4 Gr. Pol. Nr. 3646. 
5 Gr. Pol. Nr. 3669, 3670.
	        
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