Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

XII 
Vorwort 
einen Krieg, den wir nur mit den Waffen des Geistes zu führen ver 
mögen. Wir Deutschen haben nichts zu verheimlichen oder zu be 
schönigen. Offen haben wir die tiefsten Geheimnisse der deutschen 
Außenpolitik in unseren großen Aktenwerken klargelegt und dabei 
feststellen können, daß auch Staatsmänner und Diplomaten der 
Gegenseite Deutschlands Politik vor dem Weltkriege häufig gerade 
so beurteilt haben wie wir selbst. Am eindringlichsten zeigen dies 
die Berichte der belgischen Gesandten. 
Einige hervorragende Vertreter der französischen Politik und 
Wissenschaft haben das große deutsche Aktenwerk einer scharfen 
Prüfung unterzogen. In der Wochenschrift „L’Europe nouveile“ 
hat Professor E. V e r m e i 1 von der Universität Straßburg drei Aufsätze 
erscheinen lassen 1 ), die sich mit den deutschen Akten kritisch aus 
einandersetzen, und zu denen der Abgeordnete E. Chaumie, der 
französische Botschafter in Berlin bei Kriegsausbruch Jules Cam- 
bon und Raymond Poincare die Einleitungen geschrieben 
haben. Vermeil gelangt — ebenso wie Chaumie, Cambon und Poin 
care — zu dem Ergebnis, daß die These von der deutschen Ver 
antwortlichkeit am Weltkriege durch das große Aktenwerk der deut 
schen Regierung nicht erschüttert werde. Auch Vermeil will von einer 
zu starken Betonung der Vorgänge unmittelbar vor Kriegsausbruch 
nichts wissen, da diese in der inneren und diplomatischen Geschichte 
Deutschlands bereits vorbestimmt seien. Während er Bismarcks plan 
volle Bündnispolitik in ihrer folgerichtigen Durchführung — natürlich 
unter gewissen Vorbehalten — anerkennt, spricht er seinen Nach 
folgern jede politische Folgerichtigkeit ab. So sei ganz besonders in 
den Jahren bis 1912 die deutsche Politik bei ihren Versuchen, die 
Tripelentente zu erschüttern, den Dreibund aber zu festigen, in ein 
unlösbares Dilemma geraten, bis sich Deutschland und Österreich- 
Ungarn 1914 „zwangsläufig einem diplomatischen Trümmerfelde 
gegenüber“ befunden hätten. Diese beiden Großmächte hätten aber 
die Wirrnisse und den Sturm selbst geschaffen, in dem sie schließlich 
zugrunde gegangen seien. Warnend ruft Vermeil seinen Landsleuten 
zu, man dürfe es nicht erlauben, daß die Deutschen die Alleinigkeit 
ihrer Verantwortung in einem geschichtlichen oder metaphysischen 
Dunkel verschwinden ließen, brauche sie aber auch nicht eines 
dauernden Macchiavellismus anzuklagen und die Entstehung des 
von ihnen entfesselten Weltkrieges immer nur unter der 
Vorstellung einer klaren und bewußten Vorbedachtheit zu sehen. 
Unbestreitbar aber sei die Berliner politische Leitung in den letzten 
Jahren vor dem Weltkriege dem doppelten Drucke der Militärpartei 
*) „L’Europe nouveile“, 8. Jahrgang, Nr. 426, 17. April 1926; — 
10. Jahrgang, Nr.516, 31.Dezember 1927; — 11. Jahrgang, Nr. 531,14.Aprill928.
	        
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