Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Die deutsch-englischen Beziehungen 1890—1894 
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und dem Kongostaate ohne Verständigung Deutschlands eine Ver 
einbarung über eine Ausdehnung des letzteren abgeschlossen wor 
den sei, in Berlin alarmierend wirken. Deutschland erklärte schließ 
lich, an der Existenz des Kongostaates kein Interesse mehr zu haben 
und die französische Nachbarschaft vorzuziehen, falls der Kongo 
staat sich im Widerspruch mit seiner Neutralität dazu hergebe, der 
englischen Aggressiv-Politik in Afrika Vorschub zu leisten 1 . 
Eine Rückwirkung der kolonialen Mißhelligkeiten auf die 
deutsch-englischen Beziehungen ließ sich nicht ganz ausschließen, 
zumal Deutschland versuchte, zur Erreichung seiner Ziele auf Eng 
land einen wirklich fühlbaren Druck an verschiedenen Punkten, 
hauptsächlich in der ägyptischen Frage, auszuüben. Eine gewisse 
Annäherung an Frankreich in der Kongofrage verschärfte die 
deutsch-englische Spannung 2 . Mit unter der Einwirkung der Wiener 
Politik lenkte England im Sommer 1894 etwas ein. Da auch Belgien 
sich entgegenkommend verhielt, konnte der Konflikt am 17. Juni 
1894 als beendet gelten 3 . In Wien und Rom herrschte lebhafte Be 
friedigung, England und Deutschland wieder miteinander versöhnt 
zu sehen 4 . 
Deutschland und der Nahe Orient 1890 bis Ende 1894 
Während der ganzen Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. hat 
die türkische Frage niemals aufgehört, eine europäische zu sein. 
Ein wesentliches Moment der Beunruhigung bildete nach wie vor 
die bulgarische Frage, da der Zar mit der Persönlichkeit des 
Fürsten Ferdinand nicht einverstanden war, wenn er auch gewalt 
same Unternehmungen zu dessen Sturz ablehnte. Deutscherseits 
hielt man sich an Bismarcks Grundsatz, russische Wünsche bezüg 
lich Bulgariens zu unterstützen, nicht aber eine den russischen 
Wünschen entsprechende Initiative zu ergreifen 5 . Die Erhaltung des 
europäischen Friedens wurde bei diesen Erwägungen immer in den 
Vordergrund geschoben. 
Die türkischen Befestigungen an den Dardanellen und am Bos 
porus schienen nicht mehr ausreichend, um die Türkei zu einer 
wirksamen Schließung der Meerengen zu befähigen. Auf eine Ver 
besserung der türkischen Verteidigungsmittel am Bosporus hin 
zuwirken, hielt aber Caprivi erst dann für angezeigt, wenn Eng 
land über seine Entschlossenheit keinen Zweifel ließ, gegen jeden 
russischen Landungsversuch auf dem Boden der europäischen Türkei 
einzuschreiten 6 . 
1 Gr. PolTNr. 2030—2034. 
2 Gr. Pol. Nr. 2040—2049. 
3 Gr. Pol. Nr. 2054—2064. 
4 Gr. Pol. Nr. 2069—2072. 
6 Gr. Pol. Nr. 2084—2086. 
6 11. Mai 1890. Gr. Pol. Nr. 2087.
	        
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