Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

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1886 
Österreich sollte Rußland in Bulgarien gewähren lassen, während 
Serbien zu Österreichs Zone gehöre. 
Ohne Bismarcks mäßigenden Einfluß wäre es im Spätherbste 
1886 vielleicht doch zum Kriege zwischen Rußland und Österreich 
um Bulgariens willen gekommen. Immer wieder ließ Bismarck nach 
Wien mitteilen, zwischen Österreich und Deutschland bestehe ledig 
lich ein Defensivbündnis, dessen Tragweite man an der Donau nicht 
überschätzen solle; Deutschland wünsche nicht, aus der Linie seiner 
ausschließlich deutschen Interessen herauszutreten, und betrachte es 
als die Hauptaufgabe seiner Politik, die Freundschaft der drei 
Kaiserhöfe zu befestigen 1 . Als Bismarck in Wien öffentlich fest 
gestellt sehen wollte, daß es sich zwischen den beiden Mächten 
nur um ein Defensivbündnis handele, äußerte Graf Kälnoky seine 
schmerzliche Enttäuschung, was Bismarck zum Verzicht auf seine 
Absicht veranlaßte 1 2 . 
Nunmehr regte Österreich an, die ostrumelische Frage vor 
das Forum aller Signatarmächte des Berliner Kongresses zu bringen. 
Bismarck überlegte daraufhin ernstlich, ob die Fortsetzung des 
Bündnisses mit Österreich angezeigt sei. „Die Maßlosigkeit der An 
sprüche, welche Graf Andrässy an unser österreichisches Bündnis 
stellt 3 , das Verlangen einer vollständigen Einstellung des Deutschen 
Reiches in den Dienst ungarischer Wünsche, muß uns für die Fort 
setzung des Bündnisses sehr bedenklich machen. Wir beabsichtigen 
nicht, durch das Bündnis uns an einen ungarischen Kometenschweif 
zu binden, sondern einen regelrechten Kreislauf in berechenbaren 
Dimensionen herzustellen 4 “. Für diese Haltung gegenüber Öster 
reich waren die ungünstigen Berichte mitbestimmend, die Bismarck 
über den Zustand des dortigen Heerwesens, der Vorräte und Zeug 
häuser erhielt 5 . 
Kaiser Franz Joseph war ernstlich verstimmt und fühlte sich 
ganz persönlich von Deutschland verlassen. In diesem Sinne sprach 
er mit dem deutschen Militärattache Obersten Grafen v. Wedel 6 . 
Bismarck spielte daraufhin auf die Möglichkeit eines bevorstehenden 
deutsch-französischen Krieges an und ließ sagen, es sei kein Be 
weis von Wohlwollen, wenn Österreich auf Deutschlands schwierige 
Lage so wenig Rücksicht nehme und nicht verstehen wolle, daß 
Deutschland den Krieg mit Rußland zu vermeiden suche. 
Aber auch der Zar war tief verstimmt. Bismarck ließ im De 
1 Or. Pol. Nr. 1014, 1015. 
2 Or. Pol. Nr. 1017. 
3 Graf Andrässy hatte am 13. November 1886 in den Delegationen von der un 
natürlichen Gruppierung des Drei-Kaiser-Bündnisses und von der unhaltbaren 
Stellung gesprochen, in der sich Deutschland befinde. 
4 Gr. Pol. Nr. 1022. 
5 Gr. Pol. Nr. 1023. 
* Gr. Pol. Nr. 1025.
	        
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