Am 1. Mai trafen aus Gmunden der Herzog und
die Herzogin von Braunschweig-Lüneburg in Linz
ein. Das herzogliche Paar wohnte dem Pontifikalamte und
der Predigt des Kardinals v. Faulhaber bei. Ferner be-
teiligten sich die Großherzogin von Toskana, sowie
die Familie des Erzherzogs Franz Salvator und der Erz-
Herzogin Marie Valerie bei den Feierlichkeiten.
16. Beginn des Festes. — Borfeier.
Montag, 28. April:
Montag, 28. April, mittags begannen mit feierlichem
einstündigen Glockengeläute aller Kirchen der Stadt Linz
und der Diözese die viertägigen Feierlichkeiten anläßlich
des großen Domweihefestes. Der Fremde, der die Stadt
betrat, war ganz überwältigt von der allgemeinen Teil-
nähme der Stadtbevölkerung an dem Jubelfest der ober-
österreichischen Hauptstadt. Schon auf dem reichgeschmückten
Bahnhof begrüßten den Ankömmling ein reiches Bunt von
Fahnen und Girlanden und den eintreffenden Zügen ent-
strömten Massen von Wallfahrern zur Domweihe. In allen
Straßen flatterten die Fahnen und besonders die Land-
straße, der Hauptplatz, die Klostergasse und Herrenstraße
hatten die ganze Pracht von Wimpeln und Fahnen ent-
faltet. Unter den Gebäuden, die in herrlichem Festtags-
gewand aller Augen auf sich ziehen, beanspruchten das
bischöfliche Palais, das Landhaus und das Ursulinenkloster
die Palme.
In den Straßen und Gassen drängten sich in Scharen
die Festteilnehmer, die trotz der Ungunst des Wetters —
es hat ein ergiebiger Regen eingesetzt — stündlich neuen
starken Zustrom erhielten. Der Welt- und Ordensklerus
nicht nur Oberösterreichs hat sich bereits am ersten Tag
in überaus stattlicher Zahl in Linz eingefunden. In der
Frühe sind die Bischöfe Groß von Leitmeritz, Kaspar
von Königgrätz und Waitz von Feldkirch sowie die Ver-
wandten des großen Linzer Bekennerbischofs Rudigier ein¬
getroffen. Sie wurden im feierlichen Zuge vom Bischofhof
eingeholt. Die Begeisterung der Massen war eine unbe-
schreibliche und in beängstigendem Gedränge stand uu-
geachtet des Wetters die Menge vor der überfüllten Kirche
der Barmherzigen Brüder, wo die Reliquienandacht statt-
fand.
17. Reliquienandacht. — Montag, 28. April, 6Uhr abends.
Bei der Weihe eines Gotteshauses muß wenigstens
ein Altar mitgeweiht werden und in diesem Altar werden
Reliquien von Heiligen eingeschlossen. Diese Reliquien
müssen am Vorabend des Weihetages in einer Kapelle in
der Nähe der zu weihenden Kirche zur Verehrung aus-
gesetzt werden und davor wird im Gebete Nachtwache ge-
halten. Hier in Linz eignete sich die kleine, stimmungsvolle
Kirche der Barmherzigen Brüder ausgezeichnet für diesen
Zweck. Die Reliquien, unter denen sich eine vom heiligen
Märtyrer Sebastian (f 288) befindet, lagen auf dem reich
geschmückten Hochaltar. Um 6 Uhr abends fuhr der Hoch-
würdigste Bischof vor der Kirche vor, wo er vom Dom-
kapitel und den Alumnen erwartet wurde, worauf die kirch-
lichen Tagzeiten (Matutin und Laudes) gebetet wurden.
Nach Beendigung des Offiziums um 7 Uhr abends strömte
eine große Menge von Gläubigen in die Kirche, die in
Prachtvollem Festschmucke prangte und von zahlreichen
Lichtern erhellt war. Die ganze Nacht währte die Andacht,
um Mitternacht begannen bereits die heiligen Messen. Die
kleine Kirche hat wohl selten so viele Besucher gesehen wie
bei dieser nächtlichen Feier. Der Hochwürdigste Herr Bischof
zelebrierte um y23 Uhr morgens.
Der erfte ^efttag.
Dienstag, 29. April.
18. Konsekration des Domes.
Um 6 Uhr früh zog eine große Prozession, Alumnen,
Klerus, Domkapitel und Bischof zum Hauptportal des
Domes, wo im vollen, goldstrahlenden Ornate schon die
am Vortage gekommenen Bischöfe und Aebte mit Pluviale
und Jnfel Aufstellung genommen hatten. Die Domweihe
nahm der Hochwürdigste Diözesanbischof vor unter Assistenz
des Dompropstes Prälat Kolda und der Domkuraten
Giesriegl und Grießer. Als Leiter der Zeremonien und
Vorsänger funktionierte Domkapitular Schöfecker. Als zu
kousekrierender Altar war der Hochaltar ausersehen, aus
dem die Reliquien entnommen waren. Nun begannen die
langdauernden, ergreifenden Zeremonien der Dom-
weihe mit der feierlichen Allerheiligenlitanei, dem drei-
maligen Umzug des Klerus um den Dom und im Innern
des Domes.
Das „Linzer Volksblatt" brachte über die Domweihe
folgenden stimmungsvollen Bericht:
Dienstag früh. Regenfäden rieseln grau und alles
verschleiernd zu Boden. Die Konturen des Domes ver-
schwinden im Grau des Himmels. Kalt und leer scheint
das Innere des Münsters, fast, als ob es fröstelte, seines
Inhaltes noch bar. Noch ungeweiht. Die Tore sind ver-
schlössen und verschwiegen. Sie harren der weihenden Hand
des Bischofs, um sich weit aufzutun und die Reliquien-
schätze aufzunehmen.
Auf den Straßen herrscht trotz des Regens bald ein
arges Gedränge. Vor den verschlossenen Portalen steht
eine Menschenmenge und betet laut. Ihr Gebet dringt
durchs Regengrau zum Himmel empor, wie um den Segen
der hohen Schutzfrau auf ihr Heiligtum hernieder zu ziehen.
Durch das Menschengewirr naht sich eine Prozession.
Der Klerus, Bischöfe, Aebte, Domherren, Alumnen in
ihren Festgewändern. Die Prozession geht vom Bischofhof
aus, rings um den Dom zur Kirche der Barmherzigen
Brüder, von wo die Reliquien, die dort während der Nacht
verehrt worden waren, den Weg in die Domkirche an-
treten sollen. Auf einer Tragbahre ruhen sie auf einem
reich geschmückten und bekränzten Polster, getragen von
Pfarrherren der Stadt. Unter Gebeten naht sich der Zug
neuerdings dem Dome, wo sich an der Hauptpforte eine
große Menschenmenge angesammelt hat. Eine lange Reihe
von Geistlichen geht voraus als Ehrengarde für die Re-
liquien. Der Diözesanbischof folgt ihnen in vollem Ornat.
An der Kirchentüre macht der Zug Halt. Der Bischof spricht
die ersten Weiheworte. Ernste Gesänge erklingen. Dann