Volltext: Der Weltkrieg und die politischen Gedankengänge Europas [30]

Anstand zu füllen. Es mag dies mitunter Gegengefühle ge¬ 
weckt haben. Das zusammenstimmende Gepräge zwischen 
Nord und Süd, erzeugt durch die natürlichen Bande des Blutes, 
verstärkt durch die Nebengefühle der Zusammengehörigkeit, hat 
Gott sei Dank darunter niemals gelitten. 
Ganz anders verhält es sich mit jener gistgeschwollenen 
Auslandskritik, welche unablässig gegen das Deutschtum an¬ 
rennt, mit wilder Gier dessen materielles und geistiges Hab 
und Gut durchstöbert und sein höllisches Vergnügen hat, wenn 
ihr etwas aufzustöbern gelingt, womit der Verhaßte als Schreck¬ 
bild der Menschheit angeschwärzt werden kann. Diesen Haß, 
der das Deutschtum in Bausch und Bogen zum Absud der 
Menschheit stempelt, mit besonnener Ruhe zu betrachten, 
fällt schwer. Wir wollen es immerhin versuchen. 
Tür an Tür zu fast allen Völkern Europas wohnt das 
weitverzweigte deutsche Volk. Die anderen, mit ihren Wohn- 
plätzen an die Peripherie des deutschen Siedelungsgebietes ver¬ 
wiesen, begegnen einander zumeist aus den buntbelebten Straßen 
des Weltverkehres und lernen sich kaum anders kennen, als in 
dem kultivierten Formenspiel mondänen Gesellschaftslebens. 
Der Deutsche hingegen, den jeder von ihnen neben oder hinter 
sich hat, ist für jedermann auch zu Hause anzutreffen, auch — 
wenn ich mich so ausdrücken darf — von der inneren Hofseite 
Europas aus erreichbar, wo sich die Fenster und Türen seiner 
Werkstätten öffnen. So hat man ihn beständig vor Augen, 
festen Standes auf dem erkämpften Boden eines festgefügten 
Raumes, ganz verkettet mit dem rastlosen Bemühen, den 
Stand seiner Leistungen zu heben und im Ringen um die 
großen Güter der Welt mannhaft zu bestehen, ein Baumeister, 
der mit gleichmäßiger Ruhe die Grenzen seines Lebenskreises 
unaufhörlich vorrückt. Aber die andern sehen an solchem 
Deutschtum und seinem tiefangelegten Menschentum nur die 
schwieligen Hände, die keuchende Brust, den Perlenerguß auf 
hämmernder Stirne und das stößt sie ästhetisch ab; sie erkennen 
in seinem großzügigen Entwürfen und Plänen nur klein¬ 
menschliche Interessen, beargwöhnen die Wunder seiner 
massenbewältigenden Technik als Machinationen schmutziger 
Konkurrenz und das stößt sie ethisch ab. Das alles sehen sie so, 
weil ihrem materialistischen Schlendrian sowie ihrer ästhe¬ 
tischen Kultur oder auch bigotten Frömmelei die herbe deutsche 
Arbeitskultur Furcht einflößt. Wer ärgert sich auch nicht, der 
auf großem Fuße zu leben und in der Welt allerhand Vorzugs¬ 
posten einzunehmen gewohnt ist, wenn plötzlich ein anderer 
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