Volltext: Der Weltkrieg und die politischen Gedankengänge Europas [30]

die unleugbar vorhandene Antipathie gegen das Deutschtum 
nicht unaufhörlich und auf die skrupelloseste Art genährt worden 
wäre? Doch genug davon! Uns liegt eine andere Frage näher. 
III. Das „unbeliebte" deutsche Volk. 
Woran liegt es, daß das Deutschtum, das seit Menschen¬ 
gedenken in der Runde seiner Nachbarn aus und eingeht, nur 
kühler, wenn nicht widerwilliger Gastfreundschaft begegnet? 
Die Meinungen darüber gehen auseinander. Gerne hilft sich 
dieses und jenes nach Eigenbefriedigung seines Stammes¬ 
gefühls dürstende Ich mit der platten Ausrede, der starke 
Bruder im Norden habe durch sein manchmal geräuschvolles 
Hervortreten im freien Raum einer kraftvoll erschlossenen 
neuen Lebenslage die Manier deutschen Daseins vor den Augen 
der Welt in Mißkredit gebracht. Wie gering schlagen wir den 
Nutzen an, den ein zernagender Antagonismus auf diese 
Art davonträgt, daß er in der Zergliederung des Charakter¬ 
bildes einer ihm verwandten Naturgestalt schonungslos nach 
einer Methode vorgeht, die ihn von vornherein des nach¬ 
fühlenden Verständnisses für die Eigentümlichkeit jeder an¬ 
deren Bahnbewegung als der seinigen begibt. Ich gebe zu, 
daß an der Quelle, an der das norddeutsche Blut zu dem ge¬ 
worden, was es ist, weniger Grazien saßen, als in dem kühlen 
Grunde süddeutscher Romantik; die Nymphen gröberen Glieder¬ 
baues, heimisch im rauhen Norden, haben nichtsdestoweniger 
ihre Zeit auch nicht verschlafen. Groß war mitunter die Not, 
noch größer die Ausdauer. Kann es hiefür noch eines Beweises 
bedürfen, wo kein Lob zu hoch gegriffen ist, die unvergeßliche 
Leistung zu würdigen, die das engere Volk Bismarcks vollbracht 
hat, indem es sich mit fröhlichster Zuversicht und siegesgewisser 
Wärme dem unberechenbaren Wirbel deutscher Rat- und Hilf¬ 
losigkeit, den gerade noch restliche Nachwirkungen der Ver¬ 
gangenheit, aber kaum mehr sichere Zukunstspläne zusammen¬ 
hielten, als unerschütterlich ausharrender Kristallisationskern 
dargeboten hat und sich um den Verwirklichungshergang des 
deutschen Gründungswerkes verdient gemacht hat, wie kaum 
wer anderer? Was Wunder, daß das Gefühl der Kraft schlie߬ 
lich den einzelnen ergriff und mit zwingender Gewalt antrieb, 
auch persönlich die Adern seiner Tatkraft springen zu lassen 
und in der Welt seine Stelle am Gastmahl des Lebens mit 
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