Volltext: Der Weltkrieg und die politischen Gedankengänge Europas [30]

des Großen das russische Orientziel lange Zeit mit einem ma¬ 
gischen Zauber, der bei so heiliger Scheu, mit der das russische 
Volk überirdische Winke empfängt, gläubige Blicke mit 
magnetischer Gewalt an sich zog. Gambettas Revanchegedanke 
hinwieder hat in Frankreich die humane Kraft der Versöhnung 
gebändigt, nur um eine überlebte Ruhmsucht in der neuen 
Fasson eines unaustilgbaren Schmerzes mitleiderregend in 
die Welt einführen zu können. Wie wunderbar hätte sich da¬ 
gegen das Weltbild gestalten können, wenn Frankreich das 
Nachegefühl überwunden und seine flimmernde Lebenskraft 
zu Diensten eines freundschaftlichen Zusammenwirkens mit 
dem geeinigten deutschen Volke, diesem schönen Jüngling 
fröhlichen Selbsterwachens in allen Lebensaltern, gestellt hätte! 
Die französische Volksseele hätte sich gewiß dem Werte dieses 
Geschenkes verständnisvoll erschlossen; man hätte es ihr nur 
mundgerecht machen müssen. Amso deutlicher und klarer 
richtet sich die Wahrheit auf, daß es nicht dem Widerstände des 
deutschen Volkes zuzuschreiben ist, wenn das Werk der Friedens¬ 
organisation Europas in Zerrüttung geriet, ehe es in Angriff 
genommen werden konnte. 
Frankreich hätte abrüsten können, denn vor dem einzigen 
Nachbar, der es angreifen konnte, war es sicher, keinen Angriff 
befürchten zu müssen, da er ohnehin alles von ihm erlangt hat, 
was zu fordern seinem Lebensinteresse dienlich ist. Italien 
hätte abrüsten können, denn was ihm aus der Hinterlassenschaft 
entschwundener Teilherrschaften rechtlich zukam, hat es von 
Österreich erhalten. Rußland hätte abrüsten können, denn mit 
den Bahnen des Deutschen Reiches kreuzte sich von vornherein 
kein russischer Weg und das polnisch-ruthenische Problem war 
nicht so brennend, daß es nicht hätte gelöscht werden können. 
Von England gar nicht zu reden, das in geschickt gewählten 
Stationen, auf allen Straßen des Weltmeeres errichtet, dauernd 
und fest die Ketten verankert hält, die Mutterland und Domi¬ 
nions miteinander verbinden, und bei aller splendid Isolation 
gar nicht so ängstlich nach Anknüpfungen herzlichen Einver¬ 
nehmens auszublicken nötig gehabt hätte, wenn es ihm nur um 
den Schuh seiner Weltmachtstellung gegangen wäre. 
Wo sohin, wenn man bloß die wichtigsten Staaten bedenkt, 
alle, die es nicht nötig hatten, rüsteten, hätte nur Deutschland, 
das es von ihnen allen allein nötig hatte, nicht rüsten sollen, 
wiewohl sich niemand scheute, es verstehen zu lassen, daß seine 
Rüstungen gegen ihn, den neuen Ankömmling an der vornehm 
exklusiven Herrentafel Europas, gerichtet sind? „ 
12
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.