Einige Monate vorher wurde der angesehene Wiener Bürger
Caspar Tauber, ein Unterthan von Karls Bruder Ferdinand, des
Evangeliums wegen enthauptet und dann verbrannt. 3 Eine Anzahl
Anderer, deren Name nicht bekannt wurde oder im Laufe der Zeit
verloren ging, erlitt dasselbe Schicksal. Und in den nächsten
Jahren wurde es immer schlimmer; unbarmherzig suchte man in
den Ländern, wo man die evangelische Lehre unterdrückte, die
Anhänger derselben mit Feuer, Schwert und Verbannung aus-
zurotten, und rasch aus- die Zahl der Verfolgten und der Märtyrer
zu erschreckender Höhe.
In der Reihe der Blutzeugen aus der zweiten Hälfte der
zwanziger Jahre ist es Leonhard Kaiser,4 dessen heldenmütiger
Tod weithin das größte Aufsehen erregte, und wir glauben,
daß es gerade jetzt mehr als je angezeigt ist, das Andenken an
das ruhmreiche Martyrium dieses Mannes zu erneuern, das
seiner Zeit von nicht geringer Bedeutung für die Ausbreitung
des Evangeliums in den bayerisch-österreichischen Grenzländern
am Inn gewesen sein wird.
Leonhard Kaiser entstammte einer angesehenen Familie des
Marktfleckens Rab,5 in der Nähe Schärdings, in jenem Teile des
Innviertels gelegen, der im Teschener Frieden (1779) von Bayern
an Österreich abgetreten wurde; er war also ein geborener Bayer.
Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt und wird, wenn man die ver-
schiedenen hierfür in Anschlag kommenden Anhaltspunkte zusammen-
hält, wohl um das Jahr 1480 herum zu setzen sein, so daß er
ungefähr mit Luther gleichalterig war. Über seine Jugendjahre
wissen wir nichts, über seinen Bildungsgang nur das, daß er im
Jahre 1500 an der Universität in Leipzig studierte und dort das
Baecalaureat erlangte.6 Er begegnet uns dann erst wieder als
ein Vierziger7, und zwar als Geistlicher, in dem der Diözese
Passau angehörenden Weitzenkirchen, einem Dorfe im Hausruck-
viertel,8 also in Oberösterreich. Dort versah er die Stelle eines
Vikars, d. h. Stellvertreters des Pfarrers, des Passauer Domherren
Lic. Berger, der nach der Sitte der Zeit seine Pfarrpfründe
in absentia genoß und die Pfarrgeschäfte gegen ein bestimmtes
Entgelt dem Vikar überließ.9