Volltext: Volkssagen und Schilderungen prachtvoller Gebirgsausflüge aus dem k. k. Salzkammergute

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aber all' mein Snuchen, all' mein Rufen blieb fruchtlos. Es war 
bereits dunkel, der Wind eisig kalt — doch ich empfand nichts 
als die qualvolle Sorge um mein liebes theures Kind! Meine 
Angst ließ mich vergessen, daß in finsterer Nacht wo hier kein 
Sternlein den Pfad erleuchtet, auch ich den Weg verlierend zu 
Grunde gehen könne. — Allein, schutzlos im tiefen düstern Walde, 
welcher, wie erwähnt, mit Schnee und Eis theilweise noch be— 
deckt — machte ich nochmals den ganzen langen Weg durch gegen 
das Thal hinab. — Das stete Rufen hatte mich fast der Stimme 
beraubt — der Hals ganz trocken, brannte, als wenn glühende 
Kohlen herumlägen — ich vernahm nichts als das Pfeifen des 
scharfen Windes, und das Getose der in den Schluchten fort— 
brausenden Gewässer. 
Je schwächer meine Stimme wurde, um so mehr- erfaßte 
mich Besorgniß, daß selbe gänzlich brechen werde. — Ach! wer 
ist wohl im Stande mein Entzücken zu fassen, als ich wieder den 
Namen meines Kindes rufend — die Antwort: „Mutter, da bin 
ich!“ zurück empfing. Die süße Stimme schien aus der tiefen 
Schlucht, welche neben mir sich thalab fortzog — zu kommen. — 
Ohne mich zu besinnen, ohne die augenscheinlichste Gefahr des 
mir drohenden Unterganges zu erwägen, sprang ich über die eisige 
steile Wand in die mit Eis und Schnee erfüllte Kluft. Wie mir 
dieses gelang, wird nur Gott wissen, der hier sichtbar Mutterliebe 
schützte. 
Die Freude, das Entzücken machte mich fast wahnsinnig — 
aber bald sollte ich bitter getäuscht in mein maßloses Unglück zu⸗ 
rückgeworfen werden! Fort und fort den Namen meines Kindes 
rufend — bis an die Knie im eisigen Wasser die Schlucht durch⸗ 
watend, antwortete mir die Stimme nicht, welche ich vordem zu 
hören glaubte; mein Herz hatte mich hintergangen, indem es mir 
süße Laute zusandte, welche es zu vernehmen hoffte. Ich kann 
nicht sagen, wie ich aus dieser Tiefe zur Höhe kam, und wie 
mir ein solches in der Nacht gelingen konnte, welches am Tage 
schier unmöglich ist.
	        
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