Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

Das Haus der tausend Uhren 
„Ovale Oerrlein aus Nürnberg. 
Schmitterling-Uhren. Schilderuh¬ 
ren. Teller- und Taleruhren. Be¬ 
sonders hervorzuheben eine gold- 
geschmieüete Kreuzuhr mit Ame¬ 
thystdeckel und reicher Emailma¬ 
lerei..." Haben wir da etwa eine 
Reklameschrift aus Urväterszeiten 
vor uns? Doch wohl nicht, denn 
es ist kaum anzunehmen, daß bie¬ 
dere Handwerker des 17. Jahr¬ 
hunderts in der planmäßigen 
Kundenwerbung die Wege gingen, 
die heute Suggestion und Massen¬ 
psychologie weisen. Es handelt sich 
auch nicht um eine Auktion und 
schon gar nicht um eine Berlustan- 
zeige. Alles daneben geraten. Die 
Lösung ist ganz einfach — es ist 
die Aufzählung einiger weniger 
Stücke aus der prachtvollen Samm¬ 
lung des Wiener Uhrenmuseums. 
Schmucklos, unscheinbar, mit 
seinen 400 Jahren schon fast zeit¬ 
los, ist dieses Hans Schulhof 2 
in Wien, hinter dessen Mauern 
im. Pulsschlag unzähliger Uhren 
die Zeit ihre lebendige Verkör¬ 
perung gefunden hat. Ein Muse¬ 
um, das keineswegs den herkömm¬ 
lichen Eindruck macht, denn man 
zögert ein wenig, ehe man den 
dunklen Hausflur betritt. Ein 
Schild erst verschafft Gewißheit: 
Besichtigung an drei Wochentagen, 
Dienstag, Mittwoch, Samstag, 10 
Uhr. Da allerdings stolpert man 
hastig die steile Stiege hinauf, die 
entlang der alten steinernen 
Treppenspindel zum ersten Stock¬ 
werk führt. Zuspätkommen mag 
manchem als unvermeidlich er¬ 
scheinen. Aber alles zu seiner Zeit 
— hier wäre es peinlich. 
Das Jubiläum des Museums. 
Am 4. Mai 1937 konnte das 
Museum die Feier seines zwanzig¬ 
74 
jährigen Bestandes begehen. Der 
verdienstvolle Leiter dieser Wiener 
Sehenswürdigkeit Direktor Ru¬ 
dolf Kaftan ist zugleich auch ihr 
eigentlicher Schöpfer, denn die 
Sammlung Kaftan war es, mit 
der im Mai 1917 durch Gemeinde¬ 
ratsbeschluß das Uhrenmuseum 
der Stadt Wien begründet wurde. 
Was vielen als skurrile Samm¬ 
lerleidenschaft eines Sonderlings 
erschienen war — verließ doch der 
junge Lehrer die ursprüngliche be¬ 
rufliche Laufbahn — hatte so durch 
Fleiß, Ausdauer und Umsicht feste 
Formen gewonnen. Heute schätzt 
der Fachmann die bestehende Ein¬ 
richtung als lückenlose und voll¬ 
kommene Schaustellung einer jahr¬ 
hundertelangen handwerklichen 
und künstlerischen Entwicklung. 
Aber auch dem Laien bietet sich 
mit dem Reiz des Neuen, Unge- 
kannten eine dankbar empfundene 
Bereicherung seines kunsthistori¬ 
schen Wissens. 
Einverleibung dreier Privat¬ 
sammlungen. 
Drei weitere Sammlungen aus 
Privatbesitz, deren Ankauf zum 
Teil durch Zuwendungen der Wie¬ 
ner Banken, dann aber durch 
Spenden der Großindustriellen 
Dr. Karl Skoda und Bernhard 
W e tz l e r sowie des damals be¬ 
stehenden Vereines der Freunde 
des Uhrenmuseums ermöglicht 
wurde, schufen eine überaus wert¬ 
volle Bereicherung des Vorhande¬ 
nen: in erster Linie die berühmte 
Taschenuhrensammlung von der 
Schriftstellerin Marie v. Ebner- 
Eschenbach, dann die aus 110 
Stockuhren bestehende Sammlung 
L e i n e r und schließlich die 460 
meist uhrtechnisch hervorragenden 
Taschenuhren des Wiener Uhrma-
	        
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