Ischler Jugend er inner ungen
Von Guido W. Kupka-
Allem Zeitmangel zu Trotz, be¬
dingt durch mannigfache Arbeiten,
die angeblich das Leben süß machlen,
kommt man ja doch hin und wieder
dazu, den bewußten Hahn aufzu¬
drehen, welcher zur „Radioleitung"
führt, um sich dem einen oder ande¬
ren musikalischen oder rhetorischen
Genuß zu Gemüte zu führen.
Bei einem derartigen Anlasse
stieß ich kürzlich zufällig auf die
Wiedergabe eines Liedes, betitelt
„Gruß an Ischl!" — Mannigfalti¬
ge Bilder aus frühesten Kindesta¬
gen und späteren Jahren stiegen
dabei bor meinem geistigen Auge
aus! — Was bedeutet Ischl heute
unserer Generation? — Was weiß
sie davon, was einstens Ischl dem
Oesterreicher gewesen ist. Man
kommt in den lieblichen von hohen
Bergen umrahmten Kurort, be¬
sucht pflichtschuldigst die Esplanade,
bewundert, wenn man eine Aus¬
sicht hat, das Massiv des Dachsteins
und das Karls-Eisfeld, blickt, eine
der TranUbrücken überschreitend,
in die darunter in eiligster Fahrt
dahinschießenöen grünen Wasser¬
massen der Traun, geht vielleicht
noch auf den nahen Sirinskogel
mit seiner lieblichen umfassenden
Aussicht und besichtigt die „Kaiser¬
villa". „Ein ganz reizender Kur¬
ort... wunderschöne Spaziergän¬
ge... viel Fremde... erstklassige,
ausgezeichnete Hotels"... das sind
so im allgemeinen die landläufigen
Urteile unserer heutigen Genera¬
tion ...
Ja, was weiß diese, was Ischl
einst war... und welcher ehr¬
furchtsvolle Nimbus es umgab. —
In dem einzigen Worte „Kaiser¬
villa" liegt das ganze Geheimnis!
Verbrachte doch seit vielen Jahr¬
zehnten der österreichische Hos, an
der Spitze Kaiser Franz Joses, die
Sommermonate mit kurzen Unter¬
brechungen, bedingt durch wichtige
Anlässe, die ihn in die Metropole
zurückriefen, in Ischl, das er so in¬
nig liebte.
Das ganze Leben in Ischl war
damals in erster Linie auf „den
Kaiser" eingestellt. Freilich muß
man sich schon bedenklich sozusagen
dem „50. Parallelkreis des Lebens"
genähert, oder ihn gar, wenn auch
nur knapp, überschritten haben, um
sich auf diese Einzelheiten noch er¬
innern zu können.
Meine Eltern hatten einige
Jahre hindurch mit meinem Onkel
und Tante eine kleine Villa ge¬
mietet, die an der Zufahrtsstraße
zur kaiserlichen Billa lag und ei¬
nem Hofbediensteten gehörte. Durch
ihn war ich, damals ein etwa acht¬
jähriger Buh, stets genau über die
Ausfahrten des Kaisers orientiert
und verabsäumte es selten, vom
Balkon mit einer Fahne oder Ta¬
schentuch in Gesellschaft meiner
noch jüngeren Kusinen dem allver¬
ehrten Herrscher zuzuwinken, was
uns nicht selten einen besonderen
kaiserlichen Dank eintrug, aus den
wir natürlich immens stolz waren.
Gewöhnlich fuhr der Kaiser, beglei¬
tet von seinem damaligen Flügel-
adjutanten, dem Oberst Grafen
S ch a f f g o t s ch e, aber manches¬
mal saß an dessen Stelle ein etwas
schmächtiger jüngerer Herr in
Oberstuniform, mit einem schwa¬
chen Anflug von Backenbart, — der
Kronprinz Rudolf!-
Auf der auch heute noch so be¬
liebten und berühmten Esplanade