Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1938 (1938)

VON MAX KARL 
OER WAUEK KÖNIG 19 
MTHRl 
Der Domkapellmeister von Sankt 
Stephan, Josef Drechsler, hatte 
unter seinen Schülern einen jun¬ 
gen Mann, der ihm manches Kopf¬ 
zerbrechen verursachte. Das war 
der junge Johann Strauß. Es war 
ja richtig: der junge Mann hatte 
ein großartiges musikalisches Ta¬ 
lent, ererbt von seinem Vater. 
Aber ob dieses Talent auch brauch¬ 
bar war für die Kirchenmusik, die 
dem Domkapellmeister naturgemäß 
am nächsten lag, das war die Kra¬ 
ge. Gewiß: sein Schüler hatte schon 
eine ganz annehmbare Komposition 
geliefert: ein Graöuale „Tu qui 
regis totum orbem", das er auch 
in der Kirche „Am Hof" zur Auf¬ 
führung gebracht hat, aber anson¬ 
sten hatte der junge Mann den 
ganzen Kopf voll von — Walzer- 
melodien! Von Walzermelodien 
bitte! Und da lernt er Kontrapunkt 
bei einem Domkapellmeister! 
Für ernstere Musik war der 
Junge wirklich nicht zu begeistern. 
Und öcrg1 betrübte den Domkapell¬ 
meister. Freilich, er muhte ihm 
mildernde Gründe zubilligen. Er 
war ja doch der Sohn vom alten 
Strauß! Wie sollte er da ein ande¬ 
res Blut in den Adern haben...? 
Als dann Johann Strauß nach 
Beendigung der Studien vor dem 
alten Lehrer stand und Abschied 
nahm, da gab ihm dieser ein glän¬ 
zendes Zeugnis in die Hand und 
legte ihm nahe, seine Musikstudien 
auch weiter zu betreiben. Wenn er 
auch wahrscheinlich nur Walzer 
machen werde wie sein Vater, so 
würde es ihm doch niemals scha¬ 
den, wenn er das bei ihm Erlernte 
weiter ausbauen würde. Das Zeug 
zu einem tüchtigen Musiker hätte 
er gewiß. 
' Mit dem Zeugnis in der Tasche 
ging der neunzehnjährige Johann 
Strauß freudestrahlend nach Hause. 
Heim zur Mutter. Dieser legte er 
das Zeugnis vor, sprach in aner¬ 
kennenden Worten von dem wacke¬ 
ren Tomkapellmeister, der sich so¬ 
viel Mühe mit ihm gegeben, der es 
so gut mit ihm gemeint hatte, und 
der doch von ihm enttäuscht gewe¬ 
sen, weil er sich hauptsächlich nur 
der Walzermusik verschrieb. 
„Aber kann i denn anders, Mut¬ 
terl?" fuhr er fort. „I, der Sohn 
vom alten Vater Strauß? Kann i 
denn anders? Js ja doch mein 
Erbteil vom Vater her und dös 
Erbteil, Mutterl — i werd's aus- 
nütz'n und i mein, damit werd i ah 
mei Glück finden!" 
Die Mutter lächelte. „Ja, Schani, 
wenn du meinst — t möchts nur 
vom Herzen wünschen,' du weißt 
ja, Bub, was i schon alles hab mit¬ 
machen müssen mit dem Vater we¬ 
gen der MuMiererei! Er hats ja 
nie net leiden können. Was hat er 
de sw eg'n all es z'sammg'schimpft! 
Und schließlich — na, du weißt es 
ja, wie's her worden ist und wie 
kümmerlich daß wir uns jetzt 
durchbringen müssen. I glaub in¬ 
dessen an dein'm Glücksstern, 
Schani, i glaub an dich'! I mein 
allwei, du g'rat'st am meisten von 
allen dreien deinem Vatern nach 
und vielleicht wirds amal werden, 
daß't auch du droben steht am Po¬ 
dium mit dem Bogen in der Hand 
und d' Leut herunt'n jubeln dir 
zu!" 
„Ja, Mutterl, so wirds, so falls 
werden!" rief der Sohn ganz begei¬ 
stert aus' und drückte warm die 
Hand der Mutter. „Und i kann dir 
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