Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1936 (1936)

endeten Kranz. Die Kniee der Alten fangen zu zittern an und wie¬ 
der muß sie auf den Erdboden schauen, wo die Räder- und Fu߬ 
spuren weiterziehen. Nirgends war eine menschliche Stimme zu 
hören, sie öffnete die Türe des Zaunes, um den Rasenplatz zu 
durchqueren und an den Ställen vorbei zum rückwärtigen Aus¬ 
gang des Gehöftes zu kommen, von wo aus sie rascher ihre Hütte 
erreicht haben wird. 
Ohne ihre Blicke nach des Riegelhosers Wohnhaus zu richten, 
geht sie dahin. Winselnd kommt ihr der treue Haushund entgegen, 
dieser schmiegt sich an sie, wie wenn er wissen würde, das es dieses 
alte Weiblein gut mit seinem Herrn gemeint hat. 
Die Wurzmüllerin geht dahin, doch einen Augenblick bleibt sie 
stehen. Wehmütig besieht sie noch einmal die Zauberwurzel, die ihre 
Finger halten, dann schleudert sie das sonderbare Ding weit hinter 
sich, so daß die Wurzel in einem weiten Bogen mitten auf dem Ra¬ 
senplatz niederfällt, um dort zu verdorren. Die Alte hat den Aus¬ 
gang des Gehöftes erreicht. Sie öffnet die kleine Zauntür und geht 
den schmalen Weg entlang, um zu ihrer Hütte zu kommen. 
Vor einem Häuschen stehen einige Weiber des Dorfes, die über 
die fürchterlichen Ereignisse sprachen und der Wurzmüllerin die er¬ 
schreckenden Geschehnisse mitteilen wollen. Doch die Alte humpelt 
vorüber, ohne ein Wort zu erwidern. Es.ist ihr nichts Neues, was 
man ihr da zugerufen hat, denn ihre Beobachtungsgabe hatte be¬ 
reits das ganze schauerliche Bild vor ihr aufgerollt. 
Einige Schritte noch und sie hat die Tür ihrer Hütte erreicht. 
Sie öffnet sie und tritt in die Kammer, zündet das rote Lämpchen 
an, schiebt den Betschemmel herbei, kniet darauf nieder, faltet die 
Hände und schaut durch das rote Licht. 
Tränen rollen über die müden Wangen und ihre Lippen stam¬ 
meln die Worte: 
„Die junge Liebe ist wias Blüamerl im Frühjahr, das gräbt 
seine Würzerln in die Erden ein und läßt sein Köpserl aufblüayn im 
Sonnenlicht und erfreut damit die guaten Menschen. Und niemand 
kann das Schöne aufhalten, außer wenn man's Blüamerl zertritt." 
Dabei läßt sie erschöpft ihren Kopf auf die welken Hände nie¬ 
dergleiten. 
* 
Die Sonne steht bereits hinter den Bergen, die Dämmerung ist 
hereingebrochen und jenseits des schwarzen Felsens, der wie ein 
steinernes Tor aus dem See emporragt, die Ortschaft von der See¬ 
seite abschließt und den Wasserspiegel verdüstert, kommt auf den 
Wellen ein Kahn herangefahren, woraus junge Menschen sitzen. 
Fremde sind es, denen es gefallen hat, die Tracht der hierortigen 
Bewohner nachzuahmen, ohne zu wissen, was in den Herzen der 
Menschen, die dieses kleine Tal bewohnen, vorgeht. 
Beim Takt der Ruderschläge singen die Herankommenden ein 
Lied von Ehrgeiz, Hatz und Liebe, Eigenschaften, die die Herzen der 
Menschen beseelen und von da nie auszuroden sind. 
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