11.
Die Straße ist men¬
schenleer.
Der hohe Feiertag ge¬
bietet und schenkt den Men¬
schen Ruhe.
Liefet eilt dahin, ohne
aufzuschauen. Ein unbe¬
wußtes Etwas drängt sie,
so bald als möglich an Ort
und Stelle zu sein, wo sie
das vergessen möchte, was
sich vor kurzem in ihres
Vaters Hause zugetragen
hat. Wenn ihr auch Men¬
schen entgegengekommen
wären, so hätte sie dieselben
nicht gesehen, denn ihre Er¬
regung war zu groß.
Da schleicht ihr am Ran¬
de der Straße ein altes
Weib entgegen. Es ist des
Reinbachers Dirn, die alte
Bärbl; ein altes Weibsbild,
das schon in ihrer Jugend
viel angerichtet hat und
durch ihre Schlechtigkeit je¬
den Mann, und sollte er
auch nicht viel Gutes an sich gehabt haben, abgeschreckt hat.
So wanderte sie von einem Dienstort in den anderen, wurde alt
und heute kann sie froh sein, daß sie bei einem Bauern gegen Unter¬
stand und Essen dienen kann.
Gerade kömmt sie von einer entfernten Alm, wohin sie ihr
Dienstgeber geschickt hat, um den Sennleuten Brot und andere Le¬
bensmittel hinaufzutragen. Nun humpelt sie der Ortschaft zu und
sieht Liefet im raschen Tempo entgegenkommen, so daß sie sich sagen
muß, daß dieses Eilen einer Flucht gleicht. Sie findet es für gut, von
dem Mädchen nicht gesehen zu werden, steigt seitwärts und verbirgt
sich hinter den Gebüschen, um ungestört durch das Laubwerk beobach¬
ten zu können. Ihre spähenden Blicke bemerken die nervöse Hast, mit
der Liesei dahin eilt, sie sieht die hochgeröteten Blicke und das Zucken
um die Mundwinkeln, wie wenn sich im nächsten Augenblick ein
Weinkrampf entladen wollte. Der zahnlose Mund des alten Weibes
verzieht sich zu einem hämischen Grinsen, die Augen zwinkern zu¬
sammen und der Kehle entringt sich ein häßliches Kichern:
„Das Vögerl, das ihm da auskommen ist, das wird der alte Rie¬
gelhofer wohl nimmer einsangen können. ®te Dirn hat die Schön¬
heit vom Vater und die Dummheit von der Muatta g'erbt. Der An¬
dreas hat g'moant, waß Gott, was er mit der Dirn für a Glück haben
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